Editorial : Heimliche Überwachung von Beschäftigten – Regelungsbedarf im BDSG-neu : aus der RDV 1/2017, Seite 1 bis 2
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG soll in § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG-neu fortgeführt werden (vgl. zum DS-AnpUG in diesem Heft S. 25). Danach soll der Arbeitgeber unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Überwachung von straftatverdächtigten Beschäftigten berechtigt bleiben. Ohne dass der Gesetzeswortlaut es deutlich macht, er folgen entsprechende Überwachungsmaßnahmen – z.B. eine Videoinstallation oder die Beauftragung eines Detektivs – logischerweise hinter dem Rücken des Betroffenen. Die Heimlichkeit der Maßnahme ist vorgegeben. Der Erlaubnistatbestand setzt einen konkreten Straftatsverdacht voraus. Ob diese Vorschrift auch anzuwenden ist, wenn die Datenerhebung zur Aufklärung von Vertragspflichtverletzungen oder Ordnungswidrigkeiten erfolgen soll – mithin von Verhaltensweisen außerhalb des strafbaren Bereichs –, ist umstritten. In der Literatur wird teilweise auch eine entsprechende Anwendung des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG, teilweise eine Anwendung von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG befürwortet. Andere, wie nunmehr auch das LAG Baden-Württemberg (in diesem Heft S. 37) sehen § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG als eine abschließende Regelung an. Nach dieser Auffassung erlaubt § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG aufgrund des eindeutigen Wortlauts eine heimliche Überwachung allein zur Aufdeckung von Straftaten. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfasse demgegenüber nur solche Maßnahmen, die nicht gezielt auf die Entdeckung konkret Verdächtiger gerichtet sind und daher zwecks ihres Abschreckungseffekts offen zu erfolgen haben. Daraus folge, dass eine zielgerichtete verdeckte Aufklärung schwerer Vertragspflichtverletzungen und Ordnungswidrigkeiten im Beschäftigungsverhältnis datenschutzrechtlich de lege lata unzulässig sei. Das Gericht überlässt die endgültige Entscheidung dem BAG. Zu berücksichtigen haben wird das BAG dabei seine Entscheidung vom 21.04.2012 (RDV 2012, 297), in der es dem Arbeitgeber eine dem Wortlaut des § 9b Abs. 2 BDSG entgegenstehende heimliche Videoüberwachung als ultima ratio sowohl für den Fall des Verdachts einer Straftat als auch einer sonstigen schweren Verfehlung erlaubt und damit dem Gesetzgeber untersagt, dem Arbeitgeber eine diesbezügliche Kontrollbefugnis zu verweigern. Gleichermaßen hatte es auch einen Detektiveinsatz zwecks Überprüfung eines konkreten Verdachts unerlaubter Konkurrenztätigkeit als berechtigt angesehen und den Arbeitnehmer zur Erstattung der Detektivkosten verpflichtet (U.v. 28.10.2010, RDV 2011, 87), wobei der zu entschiedene Fall sich jedoch vor Inkrafttreten des § 32 BDSG abspielte.
Es sollte jedoch nicht dem BAG überlassen bleiben eine verfassungs- und DS-GVO-widrige Regelung durch entsprechende Interpretation zu korrigieren. Vielmehr bietet es sich zwingend an, diese Korrektur im Rahmen des § 24 Abs. 1 BDSG-neu vorzunehmen, wie es auch eine Reihe von Stellungnahmen zu dem Entwurf des DS-AnpUG anregen. Der DAV (Stellungnahme 84/16 zum DSAnpUG: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachrJUNA16…) und der DIHK (http://www.dihk.de/themenfelder/recht-steuern/rechtspolitik/nationale-…) fordern dies u.a. deshalb zutreffend, weil nach Art. 6 lit. c oder Art. 6 lit. f DS-GVO eine derartige Datenverarbeitung zulässig wäre. Da schwerwiegende Pflichtverletzungen von Arbeitnehmern zu einer fristlosen Kündigung führen können, müssen diese bei Verdacht auch aufgeklärt werden dürfen.
Prof. Peter Gola
Prof. Peter Gola Mitherausgeber und federführender Schriftleiter der Fachzeitschrift RDV sowie Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V., Bonn