Urteil : Unzumutbare Belästigung durch trotz Widerspruch, „An die Bewohner des Hauses“ gerichtete Werbepost : aus der RDV 2/2014, Seite 110
(Oberlandesgericht München, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 29 U 2881/13 –)
Die wiederholte Übersendung teiladressierter Werbeschreiben (Schreiben ohne Empfängernamen im Adressfeld) an Verbraucher, die dem Unternehmen mitgeteilt haben, dass sie von diesem keine Werbung erhalten möchten, sind auch dann unzulässig, wenn der Empfänger keinen entsprechenden Hinweis am Briefkasten angebracht hat.
Aus den Gründen:
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich hinsichtlich der ohne Empfängernamen teiladressierten Postwurfsendungen aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG.
2. Mit Übersendung der teiladressierten Postwurfsendungen hat die Beklagte dem Verbraucher S. im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Werbung unter Verwendung eines für den Fernabsatz geeigneten kommerziellen Kommunikationsmittels hartnäckig übersandt, obwohl er dies erkennbar nicht wünschte.
a) Bei den teiladressierten Postwurfsendungen handelt es sich um ein für den Fernabsatz geeignetes Mittel der kommerziellen Kommunikation. Erfasst sind alle Kommunikationsmittel, die zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 7 Rn. 101). Dies ist bei teiladressierten Postwurfsendungen der Fall.
b) Die Beklagte hat dem Verbraucher S. die Sendungen zukommen lassen, obwohl er dies erkennbar nicht wünschte. Der Verbraucher S. hat in seiner E-Mail vom 26.05.2012 unmissverständlich klargemacht, dass er keinerlei Verträge mit der Beklagten mehr abschließen werde, selbst wenn die Beklagte ihm die Leistungen schenken würde, und dass er deshalb mit Werbung der Beklagten zukünftig verschont werden möchte. Diese E-Mail erfolgte als Reaktion auf das Schreiben der Beklagten vom 23.05.2012, das als vollständig adressierter Brief übersandt worden war. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass sich der Widerspruch des Verbrauchers S. nur gegen Werbung durch vollständig adressierte Briefe richtete. Eine solche Einschränkung auf dieses eine Kommunikationsmittel lässt sich der E-Mail in keiner Weise entnehmen. Der Verbraucher S. hat vielmehr unmissverständlich deutlich gemacht, dass er keinerlei Werbung mehr von der Beklagten erhalten möchte.
Im vorliegenden Fall kommt noch erschwerend dazu, dass die Beklagte dem Verbraucher S. exakt das gleiche Angebot, das sie ihm zunächst mittels vollständig adressierten Briefs übermittelt hat, sodann nach seiner E-mail vom 26.05.2012 noch zweimal mittels teiladressierter Postwurfsendung geschickt hat. Das Vorbringen der Beklagten, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass Herr S. an der Übersendung des Angebots kein Interesse hatte, ist angesichts dessen, dass Herr S. ihr bereits mitgeteilt hatte, dass er das Angebot nicht einmal geschenkt annähme und sich die Übersendung weiterer Werbung verbete, nicht nachvollziehbar.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG unter Berücksichtigung der Grundrechte der Beklagten aus Art. 5 GG und Art. 12 GG auch nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass das Ansprechen nur dann „erkennbar“ unerwünscht ist, wenn der Empfänger seinen Briefkasten mit einem entsprechenden Aufkleber wie „Werbung nein danke“ versehen hat und nicht etwa auch dann, wenn der Empfänger – wie hier – dem Unternehmer eine entsprechende Mitteilung hat zukommen lassen. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG dient der Umsetzung der Nr. 26 Satz 1 Anhang I der UGP-Richtlinie. Bezüglich der im Anhang I der UGP-Richtlinie genannten Geschäftspraktiken ist der Richtliniengeber unter Berücksichtigung der in Rede stehenden Grundrechte (vgl. Erwägungsgrund 25 der Richtlinie 2005/29/EG) zu dem Ergebnis gelangt, dass diese unter allen Umständen als unlauter gelten. In Nr. 26 Satz 1 Anhang 1 der UGP-Richtlinie ist das Wort „erkennbar“ sogar gar nicht enthalten, in der Richtlinie ist nur von „unerwünschtem Ansprechen“ die Rede. Das Merkmal „erkennbar“ ist daher nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass die Erkennbarkeit auf eine bestimmte Art und Weise zu Tage treten muss, sondern bedarf einer richtlinienkonformen einschränkenden Auslegung (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 7 Rn. 102b). Aufgrund der deutlichen E-Mail vom 26.05.2012 war für die Beklagte somit „erkennbar“, dass der Verbraucher S. von der Beklagten keine Werbung mehr erhalten wollte, auch wenn dieser seinen Briefkasten nicht entsprechend gekennzeichnet hatte.
c) Die Beklagte hat den Verbraucher S. mit Werbung enthaltenden teiladressierten Postwurfsendungen auch hartnäckig angesprochen, nämlich nach Eingang der E-Mail von Herrn S. noch insgesamt fünfmal. Für die Hartnäckigkeit kommt es allein auf die Wiederholung, nicht aber auf eine besonders intensive Einwirkung an (Köhler/Bornkamm, a.a.O. § 7 Rn. 102a).