Urteil : Zur Reichweite von Auskünften nach dem Gesetz zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Verbraucherinformation (Verbraucherinformationsgesetz – VIG) (Ls) : aus der RDV 2/2020, Seite 97
(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Dezember 2019 – 10 S 2614/19 –)
- Das individuelle Informationsrecht nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG ist ein „Jedermannsrecht“, das von keinem besonderen Interesse oder einer Betroffenheit abhängig ist. Unbeachtlich ist für das Informationszugangsrecht die Unterstützung des Antragstellers (z. B. durch eine Internet-Plattform).
- § 2 Abs. 1 Satz 1 VIG ist mit Unionsrecht vereinbar. Die Verbraucherinformation unterhalb der Gefahrenschwelle auf der Grundlage innerstaatlichen Rechts ist unionsrechtlich nicht ausgeschlossen.
- § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG erfasst jede objektive Abweichung von Rechtsvorschriften. Eine „nicht zulässige Abweichung“ im Sinne dieser Bestimmung muss nicht durch Verwaltungsakt festgestellt werden; ausreichend ist die entsprechende abschließende aktenkundige Feststellung der zuständigen Behörde unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften (wie BVerwG, Urteil vom 29.08.2019 – 7 C 29/17 – Leitsätze 4 und 5).
- Eine mutmaßliche Weiterverwendung rechtmäßig erlangter Informationen durch den Antragsteller ist für das VIG-Verfahren rechtlich unerheblich. Die Informationsweiterverwendung bestimmt sich vornehmlich nach § 2a IWG; dabei sind die unionsrechtlichen Vorgaben nach der Richtlinie 2013/37/EU zu beachten.
- Die für § 40 Abs. 1a LFGB geltenden Standards zur Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand sind auf den individuellen Informationszugang nach § 2 Abs. 1 VIG nicht zu übertragen. Der Gesetzgeber unterscheidet bewusst zwischen der von Amts wegen erfolgenden Information der Öffentlichkeit und dem antragsabhängigen individuellen Zugang zu Verbraucherinformationen (BT-Drs. 16/5404, S. 8: „zwei Säulen, die sich ergänzen“).
- Die EU-Grundrechte-Charta steht dem Informationszugang nach dem VIG nicht entgegen. Dieses Gesetz ist – auch in Bezug auf die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh) – durch den Schrankenvorbehalt des Art. 52 Abs. 1 GRCh gedeckt.