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Aufsatz : Das Betriebsrätemodernisierungsgesetz und die parallele Neufassung des BPersVG : aus der RDV 4/2021, Sei­te 181 bis 186

Die Beteiligung des Betriebsrats bei neuen Arbeitsformen und das Verhältnis zum betrieblichen DSB

Aufsätze
Lesezeit 15 Min.

Am 18.06.2021 ist das vom Bundestag am 21.05.2021 verabschiedete und am 28.05.2021 vom Bundesrat gebilligten Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft getreten[1]. Mit den neuen Regelungen sollen zunächst die Wahl von Betriebsräten vereinfacht und zudem die Rechte des Betriebsrats bei der Weiterbildung, dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und bei mobiler Arbeit gestärkt werden. Digitale Arbeitsabläufe werden für die Betriebsratsarbeit dauerhaft ermöglicht. Der neue§ 79a BetrVG soll klarstellen, dass auch bei Datenverarbeitungen des Betriebsrats der Arbeitgeber Verantwortlicher – und damit der betriebliche DSB Kontrollorgan – im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften ist. In gleiche Richtung gehen verschiedene Vorschriften des am 15.06.2021 in Kraft getretenen[2], grundlegend novellierten[3] Personalvertretungsgesetzes des Bundes.

I. Die Neuregelungen im Überblick

1. Allgemeines

Mit dem neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll zunächst dem stetigen Rückgang der Anzahl von betrieblichen Mitarbeitervertretungen entgegengewirkt werden.[4] Hierzu sollen die Gründung und Wahl von Betriebsräten erleichtert und zugleich die Möglichkeiten von Arbeitgebern zur Behinderung von Betriebsratswahlen reduziert werden. Dazu wird der Kündigungsschutz von Betriebsratsmitgliedern auf die Initiatoren einer Betriebsratswahl ausgedehnt (§ 15 Abs. 3b KSchG). In Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten genügen bereits zwei Unterschriften für Wahlvorschläge. In Firmen mit weniger Beschäftigten sind keine Unterstützungsunterschriften mehr erforderlich. Zudem wird das Mindestalter für die Wahlberechtigung auf 16 Jahre abgesenkt. (vgl. § 14a BetrVG).

Des Weiteren wird eine Reihe von insbesondere im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Arbeit zusammenhängende Beteiligungsrechten neu eingeführt bzw. präzisiert. Gleiches geschieht in einer Neufassung des Bundespersonalvertretungsgesetzes.

2. Virtuelle Betriebsratssitzung

Die im Zuge der Coronakrise befristet eingeführte Möglichkeit, Betriebsratssitzungen ganz oder teilweise virtuell abhalten zu können[5] , wird fester Bestandteil des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Regelungen zur Durchführung von Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenzen finden sich in Ergänzungen der §§ 30 bis 34 BetrVG. Bei Beibehaltung des Vorrangs von Präsenzsitzungen kann die Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn die Voraussetzungen für eine solche Teilnahme in der Geschäftsordnung festgelegt sind, nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht und der Datenschutz gewahrt ist. Auch Hybrid-Formate sollen zulässig werden – mit der Maßgabe, dass “auch eine Teilnahme vor Ort als erforderlich” gilt, der Arbeitgeber Gremien also nicht auf Video-Calls beschränken darf.[6] Dabei muss u.a. durch technische Sicherungsmaßnahmen (§ 40 Abs. 2 BetrVG) sichergestellt sein, dass der Datenschutz gewahrt wird und Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.[7] Die technische Aufzeichnung einer Betriebsratssitzung, an der mittels Video- und Telefonkonferenz teilgenommen wird, ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 BetrVG nicht zulässig.

Entsprechendes bestimmt nunmehr § 38 Abs. 3 BPersVG. Es bleibt bei dem Grundsatz, dass Personalratssitzungen in Präsenz stattfinden. Ausnahmen sind möglich, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind, sich im Gremium eine Mehrheit dafür findet und Dritte keine Kenntnis vom Ablauf der Sitzung erhalten (§ 38 Abs. 3 BPersVG). Es wird die Möglichkeit eingeräumt, dass in der Geschäftsordnung die Beschlussfassung im elektronischen Verfahren vorgenommen wird (§ 39 Abs. 4 BPersVG). Personalversammlungen und Sitzungen der Einigungsstelle können als Video-Konferenzen durchgeführt werden (§§ 58 Abs. 1; 74 Abs. 5 BPersVG).

3. Schutz bei mobiler Arbeit

a) Mitbestimmung bei der Ausgestaltung

Die Tatbestände der zwingenden Mitbestimmung werden erweitert um den Bereich der „Ausgestaltung von mittels Informations- und Kommunikationstechnik regelmäßig oder vorübergehend erbrachter mobiler Arbeit“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG). Die Beteiligung betrifft das „wie“; das „ob“ verbleibt weiterhin in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. Der Mitbestimmung unterliegen somit zum Beispiel Regelungen über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit oder über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf. Das neue Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen mobile Arbeit ausgestaltet werden kann; es ermöglicht keine Regelungen zu diesbezüglich arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten.

b) Unfallversicherung bei mobiler Arbeit

Tätigkeiten im Homeoffice erhalten in § 8 SGB VII einen erweiterten Unfallversicherungsschutz. Einbezogen ist der Weg im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zu Toilette und zur Betreuung von Kindern außer Haus. Somit sind Wege zwischen Home-Office und Schule und Kita fortan abgesichert, wenn Kinder dorthin gebracht oder abgeholt werden.

4. Klarstellung der Beteiligung beim Einsatz künstlicher Intelligenz (KI)

§ 95 BetrVG ermöglicht dem Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitzuentscheiden, wobei Abs. 2a nunmehr klarstellt, dass das Beteiligungsrecht auch greift, wenn KI zum Einsatz kommt. Der Begriff KI wird nicht definiert und ist in der Abgrenzung wohl nicht strittig, wenn „künstliche Intelligenz Methoden meint, die es einem Computer ermöglichen, Aufgaben zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst würden, „Intelligenz“, d.h. Lernen, Beurteilen, Bewerten, erfordern.“[8]

Zur Beurteilung des zulässigen Einsatzes von KI steht dem Betriebsrat ohne weitere Prüfung der Erforderlichkeit ein vereinfachter Zugriff auf besonderen Sachverstand zu.

II. Die „klarstellende“ Regelung der Stellung von BR und DSB in § 79a BetrVG

1. Allgemeines

Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat, soll mit der Einfügung eines neuen § 79a BetrVG eine weitere klarstellende gesetzliche Regelung geschaffen werden. Dies gelingt jedoch nur teilweise, da viele Fragen zur Umsetzung der Norm vom Gesetzgeber unbeantwortet bleiben.[9]

„§ 79a BetrVG „Datenschutz“ Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten hat der Betriebsrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Soweit der Betriebsrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Arbeitgeber und Betriebsrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Die oder der Datenschutzbeauftragte ist gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit verpflichtet über Informationen, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats zulassen. Die §§ 6 Abs. 5 Satz 2, 38 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gelten auch im Hinblick auf das Verhältnis der oder des Datenschutzbeauftragten zum Arbeitgeber.“

Festgeschrieben wird unter Nutzung der Regelungsbefugnis des Art. 4 Nr. 7 Hs. 2 DS-DVO nunmehr, dass für Datenverarbeitungen des Betriebsrats der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche – und damit der betriebliche DSB auch insoweit Kontrollorgan – im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften – ist[10]. Die vormals vom BAG verneinte[11] bzw. offen gelassene[12] Kontrollbefugnis des betrieblichen Datenschutzbeauftragten[13] gegenüber dem Betriebsrat ist damit – wenn auch mit Einschränkungen – zwar positiv entschieden (§ 79a S. 2 BetrVG); andererseits steht die datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers im Konflikt mit der innerorganisatorischen Selbständigkeit und Weisungsfreiheit des Betriebsrats. So entscheidet der Betriebsrat innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit im Sinne der Artikel 24 und 32 der DS-GVO. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat mit den hierfür erforderlichen Sachmitteln auszustatten (§ 40 Abs. 2 BetrVG). Erfüllt der Betriebsrat die gebotenen Sicherheitsregeln nicht und kommen ggf. deshalb personenbezogene Daten in die Hände Unbefugter, stellt sich Frage, wer Ansprechpartner der Beschäftigten für Entschädigungsansprüche nach Art. 82 DS-GVO ist. § 79a BetrVG regelt dazu nichts. Wird dem Arbeitgeber bekannt, dass die Datensicherheit beim Betriebsrat nicht gewährleistet ist, kann bzw. muss er jedenfalls die Weiterleitung von personenbezogenen Daten unterlassen.[14]

2. Die beiderseitige Unterstützungspflicht

Dieser Konflikt kann nur gelöst werden, wenn beide Parteien der in § 79a S. 2 BetrVG vorgegebenen Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften kooperativ nachkommen. Fakt ist, dass den Arbeitgeber als verantwortlichen Verpflichtungen obliegen, die faktisch aber nur vom Betriebsrat erfüllt werden können. U.a. hat der Betriebsrat keine Pflicht, ein eigenes Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 DSGVO) zu führen, Der Arbeitgebers, dem diese Aufgabe als auch insoweit „Verantwortlicher“ obliegt, kann ihr nur nachkommen, wenn er entsprechende Informationen der Mitarbeitervertretung erhält, zu denen sie jedenfalls nicht konkret verpflichtet ist. Gleiches gilt bei der Erfüllung datenschutzrechtlicher Auskunftspflichten hinsichtlich der personenbezogenen Datenverarbeitungen des Betriebsrats. Hier kann nur darauf vertraut werden, dass Arbeitgeber und Betriebsrat der in § 79a S. 3 BetrVG verankerten beiderseitigen Unterstützungspflicht kooperativ nachkommen. So kann beispielsweises im Einzelfall oder generell festgelegt werden, ob zur Wahrung der Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitspflichten Auskunftspflichten unmittelbar vom Betriebsrat erfüllt werden, wobei das diesbezügliche gesetzeskonforme Vorgehen der Kontrolle des DSB unterliegt. Zur Klarstellung der diesbezüglichen innerbetrieblichen Arbeitsabläufe empfiehlt sich der Abschluss einer Betriebsvereinbarung.

Betriebsvereinbarung zur Kooperation zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Rahmen des § 79a BetrVG,Präambel:

Unter der Vorgabe des § 79a BetrVG, nach der der Betriebsrat kein Verantwortlicher iSd Art. 4 Nr. 7 DS-GVO ist er andererseits aber weitgehend eigenständig über ggf. gegenüber dem Arbeitgeber vertraulich zu behandelnde Verarbeitungen von Beschäftigtendaten bestimmt, wird zur Gewährleistung des Datenschutzes der Beschäftigten in Befolgung des Kooperationsgebots des § 79a S. 3 BetrVG nachfolgende Betriebsvereinbarung geschlossen:

§ 1 Interne Eigenverantwortlichkeit des Betriebsrats

  1. Über die Gewährleistug des Datenschutzes bei der von ihm im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Erforderlichkeit durchgeführten Verarbeitungen von Beschäftgtendaten entscheidet der Betriebsrat gemäß seiner institionellen Unabhängigkeit eigenständig.
  2. Der Betriebsrat hat innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit im Sinne der Artikel 24 und 32 der DS-GVO sicherzustellen.
  3. Der Arbeitgeber stellt die hierfür notwendige Hardund Software zur Verfügung (§ 40 BetrVG).

§ 2 Äußere Verantwortung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist für die Verarbeitungen gleichwohl als Verantwortlicher iSd § 4 Abs. DS-GVO u.a. verpflichtet, die Dokumentations- und Rechenschaftspflichten nach der DS-GVO zu erfüllen, wobei er in dieser Vereinbarung Teile der sich hieraus ergebenden Aufgaben an den Betriebsrat delegiert.

§ 3 Zuständigkeiten und Pflichten des betrieblichen Datenschutzbeauftragten

  1. Der betriebliche Datenschutzbeuftragte nimmt die ihm nach Art. 39 DS-GVO übertragenen Beratungs- und Kontrollaufgaben nach eigener Entscheidung bzw. auf Nachfrage auch gegenüber dem Betriebsrat wahr.
  2. Erhält er dabei Informationen, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats zulassen, ist er gegenüber dem Arbeitgeber zur Verschwiegenheit verpflichtet.
  3. Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Datenschutzbeauftragten nach den §§ 6 Abs. 5 Satz 2, 38 Abs. 2 des Bundesdatenschutzgesetzes hinsichtlich der vom Betriebsrat verarbeiteten personenbezogenen Daten gilt auch gegenüber dem Arbeitgeber.
  4. Stellt der Datenschutzbeauftragte hinsichtlich bestimmter Datenverarbeitungen des Betriebsrats fest, dass diese nicht gesetzeskonform sind, ist er nach fehlgeschlagener Beanstandung beim Betriebsrat befugt, den Arbeitgeber oder die Aufsichtsbehörde zu informieren. Betrifft der Fall einen konkreten Beschäftigten, so bedarf es hierfür dessen Einwilligung.
  5. Will der Betriebsrat Anträgen eines Beschäftigten auf Auskunft, Korrektur etc. nicht entsprechen, ist der Datenschutzbeauftragte zu informieren.

§ 4 Führung des Verzeichnisses der Verarbeitungstätigkeiten

  1. Gemäß betriebsinterner Rgelung ist die organisatorosche Führung des Verfahrensverzeichnisses nach Art. 30 DS-GVO dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten übertragen.
  2. Der Betriebsrat meldet die von ihm geführten Verfahren zur Aufnahme in dieses Register dem Datenschutzbeauftragten

§ 5 Erfüllung der Transparenzpflichten bezüglich der Datenverarbeitung des Betriebsrats

  1. Die bezüglich der Datenverarbeitungen des Betriebsrats gegenüber den Betroffenen nach der DS-GVO zu erfüllenden Transparenzpflichten (Benachrichtigung, Auskunft, Korrektur) nimmt der Betriebsrat unmittelbar wahr.
  2. Werden Auskunfts- oder Korrekturwünsche gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht, gibt dieser, – sofern – ggf. auf Nachfrage – festgestellt wurde, dass sie sich auch auf Verarbeitungen des Betriebsrats beziehen, diese an den Betriebsrat zur selbstständigen und unmittelbaren Bearbeitung weiter.
  3. Dem Betriebsrat obliegt es, bei sensiblen Beschäftigtendaten (Art. 9 Abs. 1 DS-GVO) das Vorhandensein von „angemessenen und spezifischen Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Person“ darzulegen (§ 26 Abs. 3 S. 3 BDSG in Verbindung mit § 22 Abs. 2). § 6

§ Schlussbestimmung

Gleichfalls sollte der Arbeitgeber sollte das Thema Datensicherung gemeinsam mit dem Betriebsrat angehen und konkrete Festlegungen für das Schutzniveau im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenarbeit treffen. Dies macht schon deshalb Sinn, weil andernfalls arbeitgeberseitige Maßnahmen, die einer Beteiligung des Betriebsrats mit unvermeidbarer Weitergabe von Beschäftigtendaten unterliegen (z.B. Anhörungen zu geplanten Versetzungen und Kündigungen, §§ 99, 102 BetrVG) verzögert würden.

3. Außerhalb der gesetzlichen Aufgabenzuweisung liegende Verarbeitungen

Die „rechtliche Zuordnung“ der Beschäftigtendatenverarbeitungen des Betriebsrats in die Verantwortungssphäre des Arbeitgebers betrifft – nur – solche, bei denen der Betriebsrat „zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben“ handelt (§ 79a S. 2 BetrVG). Erhebt der Betriebsrat außerhalb seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Beschäftigtendaten, kann eine solche Datenverarbeitung nicht dem Arbeitgeber „zugeordnet“ werden. Vielmehr disponiert der Betriebsrat dann vollständig selbst über die Zwecke der Verarbeitung. Die offene Folgefrage ist, ob hier noch die Zuständigkeit des betrieblichen DSB besteht und ob im Fall von Datenschutzverstößen eine eigene Haftung der Mitglieder des Betriebsrats in Betracht kommen kann. Jedenfalls besteht bei kompetenzwidriger Datenverarbeitung durch den Betriebsrat außerhalb seiner gesetzlichen Pflichten keine datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, und er kann nicht Adressat von Bußgeldern sein.

4. Einschränkungen der Kontrollbefugnis des DSB

Die Aufgaben und Befugnisse des Datenschutzbeauftragten gegenüber dem „Betriebsteil“ Mitarbeitervertretung richten sich nach der Datenschutz-Grundverordnung (Art. 38 und 39). Wie aufgezeigt, muss die konkrete Ausgestaltung der Kontroll- und Beratungsaufgabe der Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Betriebsrats Rechnung tragen. Dies bringt der Gesetzgeber in § 76a S. 4 und 5 BetrVG zum Ausdruck. Vertraulichkeitspflichten gelten speziell für alle Informationen, die Rückschlüsse auf den Meinungsbildungsprozess des Betriebsrats ermöglichen und deren Kenntnis eine frei von Beobachtung durch den Arbeitgeber stattfindende Meinungsbildung im Betriebsrat gefährden würden (§ 79a S. 4 BetrVG). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um personenbezogene Daten handelt. Auf welche Informationen sich dies erstreckt, kann nur durch eine Einzelfallbewertung ermittelt werden.

§ 79a Satz 5 BetrVG stellt klar, dass die Verschwiegenheitsverpflichtung von Datenschutzbeauftragten nach den §§ 6 Abs. 5 S. 2, 38 Abs. 2 des BDSG hinsichtlich der vom Betriebsrat verarbeiteten personenbezogenen Daten auch gegenüber dem Arbeitgeber gilt. In Bezug auf personenbezogene Daten, welche Datenschutzbeauftragte im Rahmen ihrer Aufgaben aus der Sphäre des Betriebsrats zur Kenntnis erhalten, ist – sofern die betroffene Person nicht einwilligt – gegenüber dem Arbeitgeber Verschwiegenheit zu wahren.

5. Die diesbezüglichen Regelungen im Personalvertretungsrecht

a) Die Neuregelung im BPersVG

Die aktuell beschlossene grundlegende Neufassung des BPersVG enthält eine der Regelung des § 79a BetrVG in etwa entsprechende, jedoch im Detail noch weniger aussagekräftige Bestimmung in § 69 BPersVG. Geregelt wird zunächst die Selbstverständlichkeit, dass der Personalrat bei der Verarbeitung personenbezogener Daten die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten hat. Soweit der Personalrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, wird sodann die Dienststelle als der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften festgelegt, was aber nichts daran ändert, dass die „Datenverabeitungshoheit“ bei der Mitarbeitervertretung liegt. Abgeschlossen wird die Norm durch ein gegenseitiges Unterstützungsgebot bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften.

Die Gesetzesbegründung[15] bezeichnet die datenschutzrecht liche Verantwortlichkeit der Dienststelle für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Personalrat (§ 69 BPersVG) als sachgerecht, weil der Personalrat lediglich eine organisationsinterne Einrichtung, jedoch keine nach außen rechtlich verselbständigte Institution sei. Die Regelung führe die bislang bestehende, seit dem Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung jedoch umstrittene Rechtslage fort und diene der Schaffung von Rechtsklarheit.[16]

Die beiderseitige Unterstützungspflicht bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften (Satz 3) ist die Grundlage, dass die datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit der Dienststelle einerseits und der innerorganisatorischen Selbständigkeit und Weisungsfreiheit des Personalrats andererseits zusammenfinden So hat der Personalrat keine Pflicht, ein eigenes Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten (Art. 30 der Datenschutz-Grundverordnung) zu führen, allerdings muss das Verarbeitungsverzeichnis der Dienststelle auch die Verarbeitungstätigkeiten des Personalrats enthalten. Auch bei den datenschutzrechtlichen Auskunftsrechten (Art. 15 DS-GVO) ist die Dienststelle, wenn der Auskunftsanspruch sich auf die durch den Personalrat verarbeiteten Daten bezieht, auf die Unterstützung durch den Personalrat angewiesen. Schließlich hat der Personalrat innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs eigenverantwortlich die Umsetzung technischer und organisatorischer Maßnahmen zur Gewährleistung der Datensicherheit im Sinne der Art. 24 und 32 DS-GVO sicherzustellen. Zu der Stellung und den Aufgaben des behördlichen Datenschutzbeauftragten in diesem Bereich äußert sich das Gesetz nicht. Die Gesetzesbegrünung verweist lapidar darauf, dass die Datenschutz-Grundverordnung (Artikel 38 und 39) auch gegenüber dem Personalrat als Teil der verantwortlichen Stelle gilt. Auf die bei der Tätigkeit des DSB zu beachtende Vertraulichkeitsaspekte wird nicht speziell hingewiesen.

Durch die Schaffung neuer und Präzisierung bestehender Mitbestimmungstatbestände wird auf die Einführung flexibler Arbeitsformen und -zeiten reagiert. Konkretisiert werden die Voraussetzungen zur Abhaltung von Sitzungen als Video- oder Telefonkonferenz und die Möglichkeit zur Beschlussfassung im elektronischen Verfahren. Nicht im BetrVG findet sich die Regelung, dass die Dienststelle auf Verlangen einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung der Arbeitgeber ihr Intranet mit dem Internetauftritt der Gewerkschaft oder der Arbeitgebervereinigung verlinken muss. (§ 9 Abs.3 BPersVG).

§ 69 BPersVG Datenschutz

Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten hat der Personalrat die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten. Soweit der Personalrat zur Erfüllung der in seiner Zuständigkeit liegenden Aufgaben personenbezogene Daten verarbeitet, ist die Dienststelle der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften. Die Dienststelle und der Personalrat unterstützen sich gegenseitig bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften

b) Regelungen im Landesrecht

Entsprechend der Bundesregelung hatte bereits Bayern die datenschutzrechtliche Rechtsstellung der Personalvertretungen in Gebrauchmachung der Ermächtigung in Art. 4 Nr. 7 Hs. 2 DS-GVO in seinem Landesdatenschutzgesetz – indirekt – geregelt, indem in Art. 3 Abs. 2 BayDSG die Verarbeitung personenbezogener Daten einheitlich – d.h. ohne weitere Untergliederungen vorzunehmen – der zuständigen öffentliche Stelle zugewiesen. Damit werde nach Ansicht des BayLfD[17] eine Zersplitterung der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit im Bereich der Verwaltung vermieden.

Anders sieht das im Land Thüringen aus. In § 80 Abs. 1 ThürPersVG wird der Personalvertretung zunächst aufgegeben, die Vorschriften über den Datenschutz einzuhalten und sich für deren Wahrung in der Dienststelle einzusetzen (S. 1). Sie hat dazu einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen (S. 2), wobei der Gesetzgeber der Personalvertretung und Dienststelle quasi empfiehlt, im Einvernehmen einen gemeinsamen Datenschutzbeauftragten zu bestellen (S. 3). Ferner wird der Mitarbeitervertretung aufgegeben, ein eigenes Verarbeitungsverzeichnis zu führen.[18]

III. Zusammenfassung

Geht man davon aus, dass es in der Regelungskompetenz des Gesetzgebers liegt, die „Unselbstständigkeit“ von Mitarbeitervertretungen – trotz durchaus gewichtiger entgegenstehender Argumente – festzuschreiben, so gilt es nun für die Praxis, sachgerechte Lösungen zu finden, die den reibungslosen Ablauf der täglich zwischen Arbeitgeber/Dienstelle und Mitarbeitervertretung anfallenden Arbeitsvorgänge unter Wahrung der beiderseitigen Verantwortung sicherstellen.

[1] BGBl. I vom 17.06.2021, S. 17.

[2] Gesetz zur Novellierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 09.06.2021 (BGBl. I S. 1614).

[3] Beschlüsse des BT vom 22.04.2021; des Bundesrats am 28.05.2021, auf der Basis von Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat, BT-Drs 19/28839, 19. Wahlperiode, 21.04.2021, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Heimat (4. Ausschuss).

[4] Derzeit haben nur etwa 10% der betriebsratsfähigen Betriebe eine Mitarbeitervertretung.

[5] Vgl. Gola, HR Performance 4/2020, 11.

[6] Vgl. dazu bereits zur früheren Rechtslage: Landesarbeitsgericht BerlinBrandenburg am 24.08.2020 – 12 TaBVGa 1015/20

[7] Vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/28899, 20.

[8] Künstliche Intelligenz (KI): Definition: Gabler Wirtschaftslexikon: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/kuenstlicheintelligenz-ki-40285.

[9] Vgl. Brink/Joos, Betriebsrätestärkungsgesetz und Datenschutz – voll eigenverantwortlich „ohne“ Verantwortlichkeit: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jpr-NLAR; siehe auch RDV 2/2021, S. 116.

[10] Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/29819, 19. Wahlperiode S. 17.

[11] BAG vom 11.11.1997 – 1 ABR 21.97.

[12] BAG vom 09.04.2019 – 1 ABR 51/17

[13] BAG vom 11.11.1997 – 1 ABR 21/97.

[14] BAG vom 09.04.2019 – 1 ABR 51/17.

[15] Vgl. zur Übersicht: Baden, Der Personalrat, 6/2021, S. 16.

[16] Gesetzesbegründung BT-Drucksache 19/18696, 19, vom 21.04.2020, S. 75.

[17] Vgl. Handreichung des BayLfD, Aktuelle Kurzinformation 23 vom 08.07.2019

[18] Zu dieser – bei voller Geltung der DS-GVO an sich obsoleten – Regelung siehe bei Brink/Joos, NZA 2019, 1395.