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Urteil : Haftung des Personalberaters wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht : aus der RDV 5/2014, Seite 279 bis 281

(Oberlandesgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 8. Mai 2014 – 16 U 175/13 –)

Lesezeit 9 Min.

Informiert ein Personalberater eine Bewerberin, dass sein Auftraggeber es ablehne, eine Frau einzustellen, und motiviert er die Bewerberin zur Geltendmachung von AGG-Entschädigungsansprüchen, so verletzt er seine gegenüber seinem Auftraggeber bestehende Verschwiegenheitspflicht.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung einer Verschwiegenheitsverpflichtung.

Die Klägerin beauftragte am …. Juni 2012 den Beklagten, einen Personalberater, der in seinen Unterlagen … mit strikter Diskretion und einer Vertrauensgarantie wirbt, mit der Suche einer geeigneten Persönlichkeit für die Position eines …. Anfang September 2012 übersandte der Beklagte der Klägerin die Bewerbungsunterlagen von Frau A. Mit E-Mail vom …. September 2012 teilte der Personalleiter der Klägerin dem Beklagten mit, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Frau wünsche. Nachdem der Vertrag zwischen den Parteien aufgrund von Differenzen beendet worden war und der Beklagte sein Honorar erhalten hatte, unterrichtete er die Bewerberin A mit E-Mail vom …. Oktober 2012 darüber, dass der Geschäftsführer der Klägerin keine Frau einstellen wolle; zugleich bezeichnete er das Verhalten als skandalös und als eine Diskriminierung im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes und riet der Bewerberin, sich an einen Rechtsanwalt unter Berücksichtigung der erforderlichen Fristen zu wenden, wenn sie wegen Schadensersatz dagegen vorgehen wolle. Zudem leitete er am …. Oktober 2012 die E-Mail des Personalleiters vom …. September 2012 an die Bewerberin weiter. Diese führte daraufhin ein arbeitsgerichtliches Verfahren gegen die Klägerin wegen Verstoßes gegen das AGG. In diesem Verfahren schloss die Klägerin mit der Bewerberin einen Vergleich über eine Entschädigung in Höhe von 8.500,– €. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Ersatz dieses Betrags sowie der ihr entstandenen Anwaltskosten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Eine Verschwiegenheitsverpflichtung sei vertraglich nicht ausdrücklich vereinbart worden. Die Werbeaussagen des Beklagten seien nicht Vertragsbestandteil geworden. Allerdings sei es dem Beklagten aufgrund einer sich aus dem Beratervertrag ergebenden Nebenpflicht auf Verschwiegenheit grundsätzlich verwehrt, vertrauliche Informationen weiterzugeben. Diese Treuepflicht gegenüber dem Vertragspartner finde aber ihre Grenze in den Geboten von Treu und Glauben. So sei eine Strafanzeige eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber grundsätzlich als berechtigt einzuordnen und stelle nur dann einen Verstoß gegen die aus dem Arbeitsverhältnis folgende Treuepflicht dar, wenn der Arbeitnehmer bei Erstattung der Anzeige wisse oder jedenfalls erkennen könne, dass der erhobene Vorwurf nicht zutreffe, oder wenn er unverhältnismäßigen Gebrauch von seinem Recht mache. Diese Grundsätze seien hier übertragbar. Ein Vertragspartner dürfe nicht darauf vertrauen, dass Verstöße gegen das AGG vertraulich behandelt würden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Vorwürfe berechtigt seien. Im Fall eines Verstoßes gegen das AGG gebe es ein anerkennenswertes Interesse der Allgemeinheit. Dem Ziel des Gesetzes entsprechende effektive Schutzgewährung könne nur dann erfolgen, wenn ein sog. „whistleblowing“ hinsichtlich der häufig geheim gehaltenen Diskriminierung nicht sanktionslos bleibe. Andernfalls würde das gesetzgeberisch unerwünschte Ziel die Folge sein, dass tatsächlich nicht der Diskriminierende die Entschädigungsleistung zu zahlen habe, sondern der Anzeigende.

Hinzu käme, dass der Klägerin an dem ihr entstandenen Schaden ein überwiegendes Mitverschulden vorzuwerfen sei, da sie mit ihrer E-Mail gegen das AGG verstoßen und damit die maßgebliche Ursache für ihre Vermögenseinbuße gesetzt habe.

Gegen dieses ihr am 29. August 2013 zugestellt Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte bewerbe mit seinen Werbeaussagen seine strikte Vertraulichkeit und erwecke damit den Eindruck, er verhalte sich im Hinblick auf die Vertraulichkeit wie jemand aus der in § 203 StGB genannten Personengruppe. Die Werbeaussagen des Beklagten, mit denen er strikte Diskretion zusage und eine „Vertrauensgarantie“ gebe, seien im Sinne einer Verschwiegenheitsverpflichtung Vertragsbestandteil geworden. Darüber hinaus treffe den Beklagten zum Schutz des Vermögens des Vertragspartners eine umfassende Treuepflicht.

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.684,97 € wegen Verletzung einer vertraglichen Verschwiegenheits- und Treuepflicht.

1. Das Landgericht geht zunächst zu Recht davon aus, dass die Parteien in ihrem Vertrag eine Verschwiegenheitspflicht des Beklagten nicht ausdrücklich vereinbart haben, sich aber eine Verschwiegenheitsverpflichtung grundsätzlich aus den Geboten von Treu und Glauben ergibt.

Ein Schuldverhältnis erschöpft sich grundsätzlich nicht in der Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs; es ist vielmehr eine von Treu und Glauben beherrschte Sonderverbindung (Palandt/Grünberg, 73 A., § 241 BGB Rn. 6) und kann gemäß § 241 Abs. 1 BGB nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Vorliegend brachte es der zwischen den Parteien geschlossene Beratervertrag zwangsläufig mit sich, dass der Beklagte mit einer Vielzahl von Interna aus dem Geschäftsbetrieb der Klägerin in Berührung kommen würde, die nicht für Außenstehende bestimmt waren. Von daher liegt es auf der Hand, dass den Beklagten bereits aus der Natur des Vertrags heraus die Pflicht traf, über die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werdenden Verhältnisse, Vorgänge und Informationen Stillschweigen zu wahren. Zudem hat der Beklagte im Vorfeld des Vertragsschlusses mit seiner Diskretion geworben. So ist ausweislich seines Flyers (…) – fett gedruckt – strikte Diskretion selbstverständlich, wobei diese Aussage zwar in der Rubrik „Unternehmensverkäufe“ und nicht in der daneben abgedruckten Rubrik „Personalsuche“ aufgenommen ist, ein unbefangener Leser angesichts der Gestaltung des Flyers allerdings davon ausgehen kann und darf, dass diese Diskretionszusage allgemeine Geltung haben soll; zudem heißt es … unter einem ebenfalls fett gedruckten, hervorgehobenen Punkt „Vertrauensgarantie“: „Wir sagen (…) strikte Vertraulichkeit zu. (…) Informationen geben wir nur mit Ihrer Genehmigung weiter“. Unabhängig davon, ob diese Werbeaussagen unmittelbar Vertragsbestandteil geworden sind, hat der Beklagte mit ihnen zu erkennen gegeben, welchen Pflichten er sich unterworfen sieht, so dass sie zumindest zur Bestimmung der nach Treu und Glauben den Beklagten treffenden Nebenpflichten heranzuziehen sind. Von daher ist eine grundsätzlich umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung anzunehmen. Diese wird ergänzt durch eine Treuepflicht dahingehend, die Rechtsgüter einschließlich des Vermögens des anderen Teils nicht zu verletzen.

2. Diese zwischen den Parteien als vertragliche Nebenpflicht bestehende Verschwiegenheits- und Treuepflicht hat der Beklagte verletzt, indem er der Bewerberin die Gründe für die Absage mitgeteilt und auf einen Verstoß gegen das AGG hingewiesen hat.

a) Dabei kann sich der Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf berufen, zu der Weitergabe dieser Gründe berechtigt gewesen zu sein oder dabei in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt zu haben. Soweit das Landgericht eine Parallele zu den Fällen gezogen hat, in denen im Arbeitsrecht das Erstatten einer Strafanzeige eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber als zulässig erachtet wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dabei ist unerheblich, ob ein Arbeitsverhältnis mit seinen besonderen Rücksichtnahmepflichten mit einem Dienst- bzw. Maklervertrag der hier vorliegenden Art vergleichbar ist. Entscheidend ist, dass ein Arbeitnehmer – wie jede Person – mit der Erstattung einer Strafanzeige eine von Verfassungs wegen geforderte und von der Rechtsordnung erlaubte und gebilligte Möglichkeit der Rechtsverfolgung wahrnimmt (BVerfG, Beschluss vom 25.2.1987, 1 BvR 1086/85 = BVerfGE 74, 247; BAG, Urteil vom 3.7.2003, 2 AZR 235/02 = NJW 2004, 1547). Eine (nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige) Strafanzeige liegt im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; darauf kann der Rechtsstaat bei der Strafverfolgung nicht verzichten (BVerfG, a.a.O.; BAG, a.a.O.). Dementsprechend kann sich ein Arbeitnehmer – oder auch ein sonstiger Vertragspartner – bei der Erstattung einer Strafanzeige auf ein ihm von der Rechtsordnung eingeräumtes Grundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG berufen (BAG, a.a.O.).

Hier hat der Beklagte allerdings keine Strafanzeige wegen einer möglichen Straftat der Klägerin erstattet, sondern der Betroffenen einen Verstoß der Klägerin gegen das AGG mitgeteilt. Diese Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Ein Verstoß gegen das AGG stellt keine Straftat dar; er ist nicht einmal als gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB ausgestaltet, sondern führt lediglich zu einem zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch des Betroffenen. Zwar ist es Ziel des AGG, Benachteiligungen u.a. aus Gründen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen; es greift damit für den Bereich der Privatautonomie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG auf, der in allen Staaten, die sich zu Demokratie und zu Menschenrechten bekennen, zu den grundlegenden verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen gehören (Palandt/Ellenberger, a.a.O., Einl v AGG Rn. 7). Dennoch war es eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, an einen Verstoß gegen das AGG keine straf- oder ordnungsrechtlichen Sanktionen zu knüpfen, für deren Verfolgung der Staat verantwortlich zeichnet, sondern allein einen zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch. Geht es allein um einen solchen zivilrechtlichen Sachverhalt, kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, im Interesse der Allgemeinheit gehandelt zu haben.

Etwas anderes folgt nach Auffassung des Senats auch nicht aus der von beiden Parteien in Bezug genommenen sog. „Heinisch“- Entscheidung des EGMR (Urteil vom 21.7. 2011, 28274/08, zitiert nach juris). Der EGMR hat für die Anwendung des Art. 10 der Konvention (= Recht auf freie Meinungsäußerung) auf das Arbeitsleben festgestellt, dass Hinweise auf strafbares oder rechtswidriges Verhalten am Arbeitsplatz durch Beschäftigte unter gewissen Umständen Schutz genießen sollen und insoweit eine Abwägung zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Meinungsäußerung in Form von Hinweisen auf strafbares oder rechtswidriges Verhalten seitens des Arbeitgebers und dem Recht des Arbeitgebers auf Schutz seines guten Rufs und seiner wirtschaftlichen Interessen vorzunehmen ist. Der Beklagte hat aber nicht ein Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen, um einen Missstand in die Öffentlichkeit zu bringen, sondern entgegen seiner vertraglichen Verschwiegenheitspflicht einer von einem Verstoß gegen das AGG Betroffenen dazu verholfen, eine zivilrechtliche Entschädigung geltend machen zu können.

Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte ergänzend auf Schutzpflichten gegenüber der Bewerberin, die einen Anspruch darauf gehabt habe zu erfahren, warum sie nicht ausgewählt worden sei. Zum einen war der Beklagte vertraglich mit der Klägerin und nicht mit der Bewerberin verbunden, so dass er in erster Linie die Interessen der Klägerin zu wahren hatte, für die er tätig wurde. Zum anderen besteht nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich kein Anspruch eines Bewerbers auf Auskunft über die Gründe einer Absage bzw. über eine von einem Unternehmen getroffene Personalentscheidung (BAG, Urteil vom 25.4.2012, 8 AZR 287/08, zitiert nach juris). Dies muss dann aber auch für einen Personalvermittler oder -berater gelten, der bei der Personalsuche für die Klägerin tätig wird. Er darf dann nicht ohne Rücksprache und Einverständnis des Unternehmens von sich aus die Gründe für die Absage mitteilen.

b) Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen verdient das Verhalten des Beklagten aber auch deshalb keinen Schutz, weil es rechtsmissbräuchlich war.

Nach alledem hat der Beklagte seiner Verschwiegenheits- und Treuepflicht verletzt, wobei sein Verschulden vermutet wird, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB.

3. Durch die Pflichtverletzung des Beklagten ist der Klägerin ein Schaden in Höhe von 11.054,90 € entstanden, den der Beklagte in Anrechnung des Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB) der Klägerin zu 1/3 zu ersetzen hat. …

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Schaden zwar dadurch eingetreten ist, weil der Beklagte gegen seine Verschwiegenheits- und Treuepflicht verstoßen und damit die Inanspruchnahme der Klägerin veranlasst hat; die Klägerin hat aber die wesentliche Ursache für den ihr entstandenen Schaden gesetzt, indem sie es war, die den Verstoß gegen das AGG begangen hat. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, die dem § 254 BGB zugrunde liegen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 254 BGB Rn. 1), kann die Klägerin deshalb nicht vollen Ersatz des erlittenen Schadens verlangen; vielmehr ist es gerechtfertigt, die Klägerin überwiegend haften zu lassen. Auf der anderen Seite war der Beitrag des Beklagten für den Eintritt des Schadens bei der Klägerin nicht so gering, dass er vollständig zurücktreten würde. Der Senat erachtet deshalb eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Klägerin als angemessen.