Abo

Urteil : Besprechung der BGH-Entscheidung vom 15.06.2021, VI ZR 576/19 zum Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs 1 DS-GVO (Entscheidung veröffentlicht in RDV 5/21, 272 und RDV 4/21, 224) : aus der RDV 6/2021 Seite 332 bis 340

Lesezeit 13 Min.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 15.06.2021, Az. VI ZR 576/19, entschieden, dass der Begriff der „personenbezogenen Daten“ im Rahmen eines Auskunftsanspruchs i.S.d. Art. 15 Abs. 1 Datenschutz Grundverordnung (DS-GVO) keiner teleologischen Reduktion dergestalt unterfällt, dass Auskunft nur über jene personenbezogenen Daten erteilt werden muss, bei denen es sich lediglich um signifikante biografische Informationen handelt. Vielmehr ist der Anspruch vollständig zu erfüllen.

Die Autoren setzen sich mit dieser BGH-Entscheidung und den daraus resultierenden Folgen für den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO auseinander.

I. Einleitung

Im Rahmen des Beitrags werden zunächst der zur Entscheidung stehende Fall und die Entscheidungsgründe vorgestellt, bevor das Urteil inhaltlich besprochen wird. Es wird aufgezeigt, dass die Auslegung des BGHs erhebliche rechtliche und praktische Schwierigkeiten für das Zusammenspiel von Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und Anspruch auf Herausgabe einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO mit sich bringt.

II. Die Entscheidung

1. Zum Sachverhalt

Der Kläger schloss im Jahr 1997 mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Vertrag über eine kapitalbildende Lebensversicherung. Mit Schreiben vom 2016 widersprach der Kläger dem Zustandekommen des Lebensversicherungsvertrags. Auf Aufforderung des Klägers übersandte die Beklagte dem Kläger eine Datenauskunft über die vom Kläger gespeicherten Daten unter Hinweis darauf, dass die elektronisch gespeicherten Daten bei ihr ausschließlich dazu verwendet würden, den Lebensversicherungsvertrag des Klägers entsprechend ihrem Zweck als Auffanggesellschaft fortzuführen und ordnungsgemäß zu verwalten. Der Kläger war der Ansicht, dass die erteilten Auskünfte unvollständig seien.

Neben dem materiell-rechtlichen Anspruch auf Prämienrückzahlung, machte der Kläger gegen die Beklagte gerichtlich geltend,

„3. dem Kläger eine vollständige […] Datenauskunft durch Überlassen in Kopie – hilfsweise in Textform – zu erteilen;

  1. hilfsweise zu 3., die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer bislang erteilten Datenauskunft an Eides statt zu versichern;
  2. vorab gemäß § 256 Abs. 2 ZPO festzustellen, dass sich der Datenauskunftsanspruch des Klägers aus Art. 15 DSGVO i.V.m. Art. 4 DS-GVO auf sämtliche bei der Beklagten tatsächlich über den Kläger vorhandene Daten erstreckt, einschließlich der intern zur Person des Klägers und der mit ihm gewechselten Korrespondenz (einschließlich EMails), der internen Telefon- und Gesprächsnotizen und sonstigen internen Vermerke der Beklagten zu dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis und auch der internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice.“

Im Laufe des Rechtsstreits erteilte die Beklagte weitere schriftliche Auskünfte zu den bei ihrem verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers.

Das Berufungsgericht wies die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts als unzulässig zurück, ließ aber die Revision zu vorstehenden Anträgen zu.

Das Berufungsgericht begründete die Zurückweisung der Berufung damit, dass die Beklagte den Auskunftsanspruch (Anträge zu 3 und 4) nach Art. 15 DS-GVO vollständig erfüllt habe. Mit den von der Beklagten an den Kläger übermittelten Schreiben habe die Beklagte verschiedene Auskünfte gegenüber dem Kläger erteilt und darüber hinaus angegeben, dass weitere personenbezogene Daten des Klägers nicht gespeichert bzw. verarbeitet worden seien. Der Kläger habe nicht konkret dargelegt, dass die bereits von der Beklagten erteilte Auskunft unvollständig gewesen sei und inwieweit er weitere Auskunft verlangt habe. Zurückliegende Korrespondenz der Parteien unterfalle dem Auskunftsanspruch ebenso wenig wie Datenauskünfte zu internen Bearbeitungsvermerken oder das Prämienkonto im Rahmen des Versicherungsverlaufs. Zu weiterer Korrespondenz mit Dritten habe die Beklagte erklärt, dass eine solche nicht geführt worden sei.

Für eine Zwischenfeststellungsklage (Antrag zu 5) sei kein Raum, da mit dem Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien erschöpfend geregelt würden.

2. Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte Erfolg und führte zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit sich die Revision gegen die Anträge zu 3 und 4 richtet.

Der BGH führte aus, dass aus der Begründung des Berufungsgerichts nicht angenommen werden kann, dass die Beklagte den Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO vollständig erfüllt hat.

Hierzu heißt es im Urteil:

„Nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und bestimmte weitere Informationen. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung.

[…]

Erfüllt im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB ist ein Auskunftsanspruch grundsätzlich dann, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Der Verdacht, dass die erteilte Auskunft unvollständig oder unrichtig ist, kann einen Anspruch auf Auskunft in weitergehendem Umfang nicht begründen. Wesentlich für die Erfüllung des Auskunftsanspruchs ist daher die – gegebenenfalls konkludente – Erklärung des Auskunftsschuldners, dass die Auskunft vollständig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. September 2020 – III ZR 136/18, GRUR 2021, 110 Rn. 43 m.w.N.). Die Annahme eines derartigen Erklärungsinhalts setzt demnach voraus, dass die erteilte Auskunft erkennbar den Gegenstand des berechtigten Auskunftsbegehrens vollständig abdecken soll. Daran fehlt es beispielsweise dann, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet. Dann kann der Auskunftsberechtigte eine Ergänzung der Auskunft verlangen […].

[…]

Nach diesen Maßstäben tragen die Erwägungen des Berufungsgerichts die Annahme einer vollständigen Erfüllung des klägerischen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nicht. Das Berufungsgericht hat zwar unangefochten festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger bereits gewisse Auskünfte erteilt und angegeben hat, weitere personenbezogene Daten über den Kläger seien nicht gespeichert bzw. verarbeitet worden. Der Kläger hat jedoch, wie sich aus seinem Zwischenfeststellungsantrag und dem Sitzungsprotokoll der Berufungsverhandlung ergibt und worauf die Revision zu Recht hinweist, sein Auskunftsbegehren angesichts der bereits erteilten Auskünfte unter anderem dahingehend präzisiert, dass er weitergehende Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz der Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bezüglich sämtlicher Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerke der Beklagten zum Versicherungsverhältnis fordere. Dass die Beklagte auch hinsichtlich dieser Gegenstände des Auskunftsbegehrens erklärt hätte, bereits vollständig Auskunft erteilt zu haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, diese Auskunftsgegenstände unterfielen bereits ihrer Art nach nicht dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, beruht dies – jedenfalls teilweise – auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne der DS-GVO und des Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs.

[…]

Soweit die Revisionserwiderung meint, Art. 15 DS-GVO sei im Hinblick auf den Begriff der „personenbezogenen Daten“ teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass der Personenbezug im Rahmen von Art. 15 DS-GVO voraussetze, dass es um „signifikante biografische Informationen“ gehe, die „im Vordergrund“ des fraglichen Dokuments stünden […], ist diese Auffassung mit der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, die sich zweifelsfrei auf den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 Halbsatz 1 DS-GVO übertragen lässt, ersichtlich nicht zu vereinbaren“.

III. Bewertung der Autoren

1. Bewertung der BGH-Entscheidung

Das Urteil konkretisiert den Umfang des Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO weiter. Höchstrichterlich wurde nunmehr festgestellt, dass über verarbeitete personenbezogene Daten vollständig und umfänglich Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilen ist. Dieser Einschätzung des BGH ist zuzustimmen.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO hat eine betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.

Insofern ist ausschließlich maßgeblich, ob personenbezogene Daten vom Verantwortlichen verarbeitet werden.

Was personenbezogene Daten sind, richtet sich einzig nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Danach sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, identifiziert werden kann.

Mithin geht die Definition davon aus, dass eine Einschränkung lediglich über die Frage des Rückschlusses auf eine natürliche Person erfolgen könne.[1] Ist ein Rückschluss möglich, liegt ein Personenbezug vor, und es handelt sich um personenbezogene Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO. Ein solcher Rückschluss erfolgt über eine direkte respektive indirekte Bestimmbarkeit. Der Begriff der direkten Bestimmbarkeit drängt sich zunächst auf. Gemeint sind Faktoren und Kennzeichen, die eine natürliche Person kenntlich machen (z.B. Name, Anschrift, Geburtsdatum).[2] Weniger selbstverständlich ist die Identifizierung bei einer indirekten Bestimmbarkeit. In diesen Fällen ist eine Bestimmbarkeit zu bejahen, wenn die Informationen in Verbindung mit anderen Informationen eine Identifizierung ermöglichen.[3] Hingegen fehlt es bei der absoluten Unmöglichkeit, einen Bezug herzustellen, an der Bestimmbarkeit.[4] Liegt eine absolute Unmöglichkeit vor, ist das Vorliegen von personenbezogenen Daten daher grundsätzlich zu verneinen.

Insgesamt ist der Begriff der personenbezogenen Daten weit auszulegen.[5] Insofern sind die Ausführungen des BGH zutreffend, wenn es in der Entscheidung heißt, dass personenbezogene Daten nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt sind, sondern potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt, umfassen.[6] Der BGH trifft es insofern auf den Punkt, wenn er im Hinblick auf den Personenbezug der Informationen darauf abstellt, ob diese „aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft“[7] sind.

Folgerichtig gelangt der BGH damit auch zu der Auslegung, dass auch Schriftsätze zwischen den Parteien, das Prämienkonto sowie auch interne Vorgänge des datenschutzrechtlich Verantwortlichen unter den Begriff der personenbezogenen Daten i.S.d. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO fallen, wenn sie einen – direkten oder indirekten – Personenbezug aufweisen. Daher kann der Auffassung des Berufungsgerichts in Bezug auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht gefolgt werden, wenn es in der Entscheidung heißt:

„Nach Auffassung der Kammer bezieht sich der Auskunftsanspruch aber nicht auf sämtliche interne Vorgänge der Beklagten, wie z.B. Vermerke, oder darauf, dass die betreffende Person sämtlichen gewechselten Schriftverkehr, der dem Betroffenen bereits bekannt ist, erneut ausgedruckt und übersendet erhalten kann.“[8]

Bei den Schriftsätzen verweist der BGH darauf, dass die personenbezogene Information darin besteht, dass sich der Kläger dem Schreiben gemäß geäußert habe. Soweit es die Frage anbelangt, ob interne Vorgänge zu den personenbezogenen Daten gehören, verkennt das Berufungsgericht, dass die DS-GVO keine Einschränkung auf externe Vorgänge kennt.[9] Ebenfalls unerheblich für das Vorliegen der personenbezogenen Daten und für den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ist, ob Schriftsätze, die personenbezogene Daten enthalten, der betroffenen Person bekannt sind. Der Umstand der Kenntnis ändert nichts an der Tatsache, dass personenbezogene Daten vorliegen (oder nicht).

Liegen personenbezogene Daten vor, gibt es keinen Anhaltspunkt innerhalb der DS-GVO dafür, den Begriff der personenbezogenen Daten nachträglich teleologisch zu reduzieren und schlussendlich zu verkürzen. Auch in diesem Fall ist der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erfüllen, da dieser andernfalls leerlaufen würde. Der betroffenen Person ist regelmäßig bekannt, dass sie personenbezogene Daten weitergegeben hat. Art. 15 Abs. 1 DS-GVO soll der betroffenen Person die Möglichkeit geben, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.[10] Somit hat der Verantwortliche, will er den Anspruch aus Art. 15 DS-GVO erfüllen, sämtliche verarbeitete personenbezogene Daten der betroffenen Person in einem Antwortschreiben aufzuführen.[11]

2. Die BGH-Entscheidung im Spannungsfeld zu Art. 15 Abs. 3 DS-GVO

So dogmatisch zutreffend die Beurteilung des BGHs in Bezug auf das Vorliegen der personenbezogenen Daten und auf die Erfüllung (§ 362 BGB) des Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ist, so liefert diese doch erhebliches Konfliktpotential für den korrespondierenden Anspruch auf Erteilung einer Kopie, Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

Gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Dabei ist die „Kopie“ nicht ausschließlich im Sinne einer physikalischen Ablichtung der personenbezogenen Daten zu verstehen. Satz 4 des Erwägungsgrunds 63 nennt vielmehr den Fernzugriff als eine Möglichkeit, den Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zu erfüllen.

Das Verhältnis zwischen dem Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und dem Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO auf Herausgabe einer Kopie der Daten, ist umstritten.[12] Die – vermutlich herrschende – Literatur und Rechtsprechung erblickt in Art. 15 Abs. 3 DS-GVO einen eigenständigen Anspruch, der neben dem Anspruch auf Auskunft über die verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO steht.

Leider trägt die Entscheidung des BGHs wenig dazu bei, dieses für die Praxis relevante Problem zu lösen. Dies ist zu bedauern. Erneut ist eine Chance vertan worden, Rechtssicherheit mit Blick auf Art. 15 Abs. 3 DS-GVO herzustellen. Auch das BAG[13] ließ die Gelegenheit kürzlich ungenutzt.

Der BGH hätte vorliegend, zumindest obiter dictum, eine gute Möglichkeit gehabt, sich des Problems anzunehmen und Rechtssicherheit zu schaffen. Das obige Zitat aus dem Urteil des Berufungsgerichts zeigt, dass das Berufungsgericht neben dem Auskunftsanspruch aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO auch das Thema rund um die Kopie erkannt hat, da nach Ansicht des Berufungsgerichts die betroffene Person keinen Anspruch auf Ausdrucke der bekannten Schriftsätze habe. Auf diese Weise verwischt das Berufungsgericht die – zweifelsohne fließenden – Grenzen zwischen Art. 15 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 3 DS-GVO.

Im Ergebnis verbleibt (lediglich) der Eindruck, dass der BGH dazu tendiert, den Anspruch auf Herausgabe der Kopien (aller) personenbezogen Daten zu bejahen, wenn über diese personenbezogene Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO Auskunft zu erteilen war. Hierdurch wird ein Gleichlauf geschaffen, der zu den Entscheidungsgründen des Urteils passt und mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)[14] im Einklang steht.

Das BAG hielt in seiner Entscheidung vom 27. April 2021 fest, dass ein Antrag auf Erteilung einer Kopie i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist, wenn er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Zudem fordert das BAG, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft sein muss, auf welche Dokumente (in Form von E-Mails) sich die Verurteilung beziehen soll. Ein Klageantrag wird dem Bestimmtheitsgebot aus Sicht des BAG hingegen nicht gerecht, wenn er lediglich pauschal darauf gerichtet ist, dem Kläger eine Kopie des gesamten E-Mail-Verkehrs sowie von E-Mails, die den Kläger namentlich erwähnen, zur Verfügung zu stellen. Dies intendiert, dass der Anspruch nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO ohne Einschränkung begründet sein dürfte, sofern der Antrag hinreichend bestimmt ist und es sich um personenbezogene Daten handelt. Das BAG-Urteil stellt somit hohe Anforderungen an die Bestimmtheit des Anspruchs nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, lässt diesen im Übrigen aber grundsätzlich gelten.

In der Praxis folgt daraus das Risiko, dass es zu einem hohen personellen, zeitlichen und monetären Aufwand auf Seiten des Verantwortlichen kommt, will er dem Anspruch auf Herausgabe einer Kopie gerecht werden.[15] Gerade bei langjährigen Vertragsverhältnissen, wie etwa im Arbeitsverhältnis, dürfte der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zunehmend als Druckmittel herhalten. Insbesondere in diesen Fällen dürfte die Erfüllung des Anspruchs aufgrund der kaum überschaubaren Anzahl an Dokumenten mit personenbezogenen Daten jedoch nahezu unmöglich sein.

Dem Berufungsgericht ist daher in dem Punkt zuzustimmen, dass es eines Korrektivs bedarf, damit sich die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung einer Kopie nicht lediglich zu einer arbeitsintensiven Förmelei entwickelt. Vorzugswürdig erscheint es daher, den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO – ungeachtet eines bestehenden Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO – über den Einwand des unverhältnismäßigen Aufwands (vgl. Art. 14 Abs. 5 DS-GVO) unter Verweis auf die Grenze der Zumutbarkeit einzuschränken.[16] Im Rahmen einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dann auch, die Kenntnis der betroffenen Personen zu berücksichtigen. Indes ist eine Anwendung des § 242 BGB, als nationale Vorschrift, auf die Bestimmungen der DS-GVO, abzulehnen.[17]

[1] In diese Richtung auch BeckOK DatenschutzR/Schild, DS-GVO Art. 4 Rn. 16 ff

[2] BeckOK DatenschutzR/Schild DS-GVO Art. 4 Rn. 16.

[3] BeckOK DatenschutzR/Schild DS-GVO Art. 4 Rn. 17.

[4] Paal/Pauly/Ernst, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 4 Rn. 9.

[5] BeckOK DatenschutzR/Schild, 37. DS-GVO Art. 4 Rn. 21a.

[6] BGH, Urt. v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, Rn. 22.

[7] BGH, aaO

[8] LG Köln, Urt. v. 19.06.2019 – 26 S 13/18, Rn. 39.

[9] BGH, aaO, Rn 27.

[10] Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO.

[11] Nowak/Bornholdt, RDV 2020, 191, 192.

[12] Statt vieler siehe Nowak/Bornholdt, aaO.

[13] BAG, Urt. v. 27.04.2021 – 2 AZR 342/20.

[14] BAG, aaO.

[15] Wybitul/Brams, NZA 2019, 672, 674.

[16] Härting, Mit der DS-GVO zum “Golden Handshake” – von der Sprengkraft des “Rechts auf Kopie”, abrufbar unter: https://www.cr-online.de/blog/2019/03/29/mit-der-dsgvo-zum-golden-handshake-von-dersprengkraft-des-rechts-auf-kopie/.

[17] LG Wuppertal, Urt. v. 29.07.2021 – 4 O 409/20.