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Literaturhinweis : Datenschutz-Grundverordnung : aus der RDV 1/2018, Seite 59 bis 61

Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung. Kommentar, C.H. BeckVerlag, München 2017, 1243 S., 139,– €

Lesezeit 3 Min.

Die Datenschutz-Grundverordnung wird ab dem 25. Mai 2018 anwendbar sein und den Datenschutz in Europa neu ordnen. Es gibt zu ihr gefühlt mehr Kommentare als zum BGB, und das hat seinen guten Grund. Schließlich treibt das Datenschutzrecht Wirtschaft und Datenschutzaufsicht – insbesondere durch die im Vergleich zum noch geltenden Recht deutlich verschärften Pflichten und drastisch erhöhten Bußgeldandrohungen – gleichermaßen um. Der Kommentar zur DS-GVO von Ehmann/Selmayr ist auf dem Stand von Mitte Januar 2018 und muss daher ohne Berücksichtigung des seit Juli 2017 verabschiedeten neuen BDSG auskommen. Der Autorenkreis setzt sich aus teilweise exponierten Praktikern zusammen – unter anderem aus dem EU-Parlament, der Verwaltung, der Aufsicht, der Anwaltschaft sowie aus Hochschulangehörigen.

Die Herausgeber widmen sich einführend einem Überblick über die Entstehungsgeschichte der Grundverordnung, dem die besondere Nähe der Autoren zum Entstehungsprozess zu Gute kommt. Wer sich hierzu einen prägnanten und zugleich umfassenden Überblick verschaffen möchte, ist in diesem Werk bestens aufgehoben. Die Kommentierungen selbst erfüllen vom Umfang her, was einem Kurz-Kommentar angemessen ist. Bei einer Kommentierung, die im Vorgriff auf die Anwendbarkeit der kommentierten Rechtsnormen erscheint, liegt die Herausforderung zum einen darin, Sinn und Systematik der Normen zu erklären und zum anderen darin, die Probleme des künftigen Rechts für die Praxis zu antizipieren und der künftigen Anwendung des bevorstehenden Rechts Impulse zu geben. Die erste Anforderung erfüllt der Kommentar solide. Hervorgehoben sei hier etwa die nüchterne und zutreffende Analyse von Heberlein zu Art. 6 Abs. 2 DS-GVO (Rn. 30 ff.).

Diese Öffnungsklausel in der „hinkenden Verordnung“ (Rn. 31 m.w.N.) ist für das Verhältnis zwischen DS-GVO und BDSG neu elementar. Sie dürfte im BDSG neu etwa den Zulässigkeitsrahmen für § 4 BDSG neu mit seinen deutschen Sonderregelungen zur Videoüberwachung aus Gründen des öffentlichen Interesses liefern. Mit Blick auf die Zulässigkeit der Videoüberwachung nach der DS-GVO, die für die unternehmerische Praxis von besonderer Bedeutung ist, stellt die Kommentierungen aber keine grundlegenden Erwägungen an, sondern nimmt hierzu punktuell Stellung, etwa im Rahmen der Datenschutzfolgenabschätzung (Art. 35 Rn. 23).

Allerdings legen die Herausgeber ausweislich des Vorwortes Wert darauf, die Brille des nationalen Rechts mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen bewusst abzulegen. Dieser Ansatz hat den Vorteil, eine konsistente Kommentierung liefern zu können, der sich von den namentlich in Deutschland teilweise geltenden Besonderheiten löst. Damit ist aber – wie insbesondere § 4 Abs. 1 und 3 BDSG neu als nationale Präzisierung der Zulässigkeit der Videoüberwachung zeigen – zugleich der Nachteil verbunden, dass dem deutschen Anwender der bewertende Blick auf das Zusammenspiel von DS-GVO und nationalem Recht im Rahmen der Öffnungsklauseln verwehrt wird.

Mit Blick auf die Praxis sind zudem die Informationspflichten nach Art. 12 bis 14 DS-GVO von besonderer Bedeutung. Sie erlegen der unternehmerischen Praxis über die Pflichten im Rahmen der Zulässigkeit hinaus, umfangreiche weitere und neue Pflichten auf. Sie werden von Heckmann/ Paschke (Art. 12) und Knyrim (Art. 13 und 14) kommentiert. Die Kommentierung des Art. 12 DS-GVO zu den allgemeinen Grundlagen der Information arbeitet die Voraussetzungen der Norm sicher ab und greift dort, wo es möglich ist, die Rechtsprechung des EuGH auf. Das ist insbesondere bei der „leichten Zugänglichkeit“ einer Information der Fall (Art. 12 Rn. 14 ff.) und gerade mit Blick auf die Beratung in Streitfällen mit der Aufsicht um die Anforderungen ausgesprochen hilfreich. Art. 13 und 14 betreffen die Datenerhebung bei der betroffenen Person bzw. nicht bei der betroffenen Person. Mit Blick auf die Parallelen ist es gut vertretbar, wenn die Kommentierung in Art. 14 an den entsprechenden Stellen auf Art. 13 verweist. Die Kommentierung ist sowohl präzise, als auch prägnant und beschreibt etwa das eigentümliche, faktisch kumulative Verhältnis der Informationspflichten aus Abs. 1 („immer“) und Abs. 2 („situationsabhängig“ aber mit dem Risiko der Verkennung der Erfordernisse der Situation) auf den Punkt (Art. 13 Rn. 18-20). Zugleich zeigt sich gerade hier, dass es ohne Rechtsprechung schwer ist, der Praxis eine Empfehlung an die Hand zu geben. Umso erfreulicher ist das vergleichsweise klare und plausibel begründete Bekenntnis zur Zulässigkeit des Medienbruches bei der Informationsgewährung (Art. 13 Rn. 13), ohne den die Praxis, denkt man beispielsweise an Automatenkäufe unter Eingabe von Zahlungsdaten oder Telefonbestellungen, nicht rechtskonform handlungsfähig ist.

Im Fazit kann man es kurz machen. Der Ehmann/Selmayr ist ein solider, kompakter, zuverlässiger und deshalb ausgesprochen hilfreicher Ratgeber für die Datenschutzpraxis. Es gelingt den Autorinnen und Autoren die komplexe Materie mit dem für die Anforderungen der Praxis erforderlichen Tiefgang souverän abzubilden, ohne sich in Details zu verlieren. Er hat seinen Platz unter den Kommentierungen zur DS-GVO eingenommen und wird ihn behaupten.

(Prof. Dr. Rolf Schwartmann)