Urteil : Eingriff in Persönlichkeitsrecht durch Bildaufnahmen : aus der RDV 4/2015, Seite 192 bis 193
(Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26. Februar 2015 – 4 StR 328/14 –)
Zur Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen gemäß § 201 a StGB.
Aus den Gründen:
Dass der Angeklagte durch das Anfertigen von Bildaufnahmen während der gynäkologischen Behandlung seiner Tatopfer jeweils deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzte, hat die Strafkammer auf der Grundlage der von ihr zu den Inhalten der Bilder und Videosequenzen getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei bejaht.
Nach der Strafnorm des § 201a Abs. 1 StGB aF (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung des 49. Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. Januar 2015, BGBl I, S. 10), welche dem Schutz des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen vor Eingriffen durch Bildaufnahmen dient (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 1; Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 201a Rn. 2; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 201a Rn. 3; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 201a Rn. 1), macht sich in der Tatbestandsvariante des Herstellens strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, Bildaufnahmen herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der Person verletzt.
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Vorschrift auch Bildaufnahmen unterfallen, die allein aus sich heraus eine Individualisierung der abgebildeten Person nicht ermöglichen (vgl. Bosch, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl., § 201a Rn. 5; Altenhain in Matt/Renzikowski, StGB, § 201a Rn. 2; Koch, GA 2005, 589, 595; Kargl, ZStW 2005, 324, 340; Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; aA Hoyer in SK-StGB [Stand: Oktober 2005], § 201a Rn. 12; Kühl in Lackner/Kühl a.a.O., Rn. 4), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Tatbestandlich erfasst werden jedenfalls solche Bildaufnahmen, die – wie hier vom Landgericht in den der Verurteilung zugrunde liegenden Fällen festgestellt – aufgrund hinreichend vorhandener Identifizierungsmerkmale von den jeweiligen Tat opfern der eigenen Person zugeordnet werden können (vgl. Valerius, in: LK, 12. Aufl., § 201a Rn. 11; Kargl, in: NK-StGB, 4. Aufl., § 201a Rn. 6; Fischer a.a.O., Rn. 5; auf grundsätzliche Identifizierbarkeit abstellend vgl. Lenckner/Eisele a.a.O., Rn. 4; Heuchemer, in: Heintschel/Heinegg, StGB, § 201a Rn. 16.2). Weiter gehende Anforderungen an die Erkennbarkeit der abgebildeten Personen lassen sich bei einer am geschützten Rechtsgut orientierten Auslegung weder aus dem Tatbestandsmerkmal der Bildaufnahme einer an deren Person noch aus dem tatbestandlich vorausgesetzten Erfolg einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs ableiten. Da der Rechtsgutsangriff bereits in der Fertigung der Bildaufnahme durch den Täter liegt, ohne dass es auf eine mögliche spätere Weitergabe oder Verbreitung der Aufnahme ankommt, besteht insbesondere kein Grund, den Eintritt des Taterfolgs davon abhängig zu machen, dass die Identifizierung der abgebildeten Person von Dritten anhand auch anderen bekannter Merkmale oder Besonderheiten vorgenommen werden kann (so aber Graf in MKStGB, 2. Aufl., § 201a Rn. 20).