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Kurzbeitrag : Praxisfälle zum Datenschutzrecht XXIII: Fotografien und Anzeige von Falschparkern durch Privatpersonen : aus der RDV 4/2023 Seite 235 bis 239

Lesezeit 14 Min.

I. Sachverhalt

K lebt in München und fährt regelmäßig Fahrrad. Dabei fotografierte er mehrfach Fahrzeuge, an denen er vorbeifuhr und die verbotswidrig geparkt waren. Die Lichtbilder leitete er anschließend, verbunden mit der Anzeige als Ordnungswidrigkeit, per E-Mail bzw. über ein entsprechendes Onlinetool an die zuständige Polizeidienststelle weiter. Auf den Lichtbildern sind Fahrzeuge, die im absoluten Halteverbot parken, mit Kfz-Kennzeichen zu sehen. Teils stehen die Fahrzeuge auf der Straße, teils so auf einem Gehweg, dass ein Passieren auf dem Gehweg an dieser Stelle nicht mehr möglich wäre. Menschen oder Kfz-Kennzeichen anderer Fahrzeuge sind auf den Fotos nicht zu erkennen.

Die Texte der E-Mails bzw. Nachrichten über das Onlinetool enthalten ebenfalls das betroffene Kfz-Kennzeichen, außerdem Ort und Zeit der Fotoaufnahme sowie Marke und Typ des Fahrzeugs. Insgesamt handelt es sich um sechs Anzeigen durch K. Eine konkrete eigene Betroffenheit als Verkehrsteilnehmer aufgrund der Parkverstöße hat K in keiner der Nachrichten an die Polizei dargelegt. Die Anzeigen durch K gelangen der örtlich zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde zur Kenntnis, die diesen daraufhin nach vorheriger Anhörung aufgrund der Annahme eines Datenschutzverstoßes verwarnt.

Zur Begründung führt die Behörde u.a. aus, dass das Fotografieren und Weiterleiten der Kfz-Kennzeichen eine Datenverarbeitung i.S.d. DS-GVO darstelle, für die kein Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DS-GVO bestehe, insbesondere liege kein hinreichend berechtigtes Interesse i.S.d. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO vor. Die aus §  158 StPO folgende Befugnis für jedermann Anzeigen zu erstatten, umfasse nur die Übermittlung von Daten, die zur Einleitung von Ermittlungen benötigt würden, bei Parkverstößen also den Tatort, das Kennzeichen des Fahrzeugs sowie die Identität von Tatzeugen. Die Übermittlung von Fotos werde vom Anzeigenrecht nicht erfasst. Da K außerdem weder eine konkrete eigene Gefährdung vorgetragen noch einen allgemeinen Anspruch auf ungestörte Nutzung des Verkehrsraums habe, liege auch insoweit kein berechtigtes Interesse vor, so die Datenschutzbehörde. Hat die

Behörde K zu Recht verwarnt?[1]

II. Musterlösung

1. Allgemeines

Damit die Datenschutzaufsichtsbehörde K zu Recht verwarnt hat, ist es zunächst erforderlich, dass diese überhaupt die Befugnis besitzt, Verwarnungen auszusprechen, ihr also diese Handlungsform im Grundsatz zur Verfügung steht. Sofern dies der Fall ist, müsste ein Verstoß gegen die DS-GVO durch K vorliegen. Fraglich ist insofern bereits, ob die DS-GVO auf Verarbeitungen des K überhaupt anwendbar ist, denn es handelt sich nicht um Verarbeitungen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Stelle, sondern um solche einer Privatperson. Gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. c) DS-GVO sind Datenverarbeitungen im Zusammenhang mit rein persönlichen oder familiären Tätigkeiten aber vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgeschlossen (sog. „Haushaltsausnahme“). Sollte die DS-GVO anwendbar sein, bleibt schließlich zu beantworten, ob die Aufsichtsbehörde die Interessen von K und diejenigen der Falschparker in einen angemessenen Ausgleich gebracht hat.

2. Befugnis der Behörde zur Aussprache von Verwarnungen

In Art.58 DS-GVO sind Untersuchungs-, Abhilfe- und Genehmigungsbefugnisse der jeweils zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde normiert. Zu den Abhilfebefugnissen nach Abs.  2 der Regelung gehört dabei u.a. auch, „einen Verantwortlichen oder einen Auftragsverarbeiter zu verwarnen, wenn er mit Verarbeitungsvorgängen gegen diese Verordnung verstoßen hat“ (lit. b). Voraussetzung der Verwarnung durch die Aufsichtsbehörde ist, dass eine bereits begonnene Datenverarbeitung eines Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters gegen die DS-GVO verstößt. Die Verwarnung ist zu unterscheiden von der Warnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. a) DS-GVO, die sich auf „beabsichtigte Verarbeitungsvorgänge“ bezieht, die „voraussichtlich“ gegen die DS-GVO verstoßen werden. Im Verhältnis zu anderen Befugnissen der Behörde nach Art.  58 Abs.  2 DS-GVO, insbes. den Befugnissen nach lit. d) (Anweisung hinsichtlich der Durchführung von Verarbeitungsvorgängen) bzw. lit. f) (Beschränkung oder Verbot einer Verarbeitung), handelt es sich bei der Verwarnung um eine mildere Maßnahme.[2] Von Anweisungen nach lit. d) und Verboten bzw. Beschränkungen nach lit. f) unterscheidet sich die Verwarnung dadurch, dass sie keine unmittelbare Rechtspflicht des Adressaten auslöst, die Verarbeitung abzustellen oder zu ändern.[3] Umstritten ist insofern, ob die Verwarnung einen feststellenden Verwaltungsakt darstellt.[4] Hierfür spricht, dass, auch wenn aus der Verwarnung keine unmittelbaren Rechtspflichten resultieren, die mit der Verwarnung verbundene Feststellung eines Rechtsverstoßes für den Adressaten belastende Wirkung hat.[5] So kann sie etwa im Wiederholungsfall für ein Bußgeldverfahren herangezogen werden.[6]

Unproblematisch ist, dass es sich bei K dem Grundsatz nach um einen Verantwortlichen i.S.v. Art.  4 Nr. 7 DS-GVO handeln kann, denn er entscheidet über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung. Fraglich ist lediglich, ob dessen Handeln im Hinblick auf die Tatsache, dass er eine Privatperson ist, überhaupt in den Anwendungsbereich der DS-GVO fällt. Die Anwendbarkeit der DS-GVO soll daher im Folgenden näher geprüft werden.

3. Anwendbarkeit der DS‑GVO auf die Datenüber‑ mittlungen durch die Privatperson K

a) Allgemeines

Zweifel im Hinblick auf die räumliche Anwendbarkeit der DS-GVO (Art.  3) bestehen im vorliegenden Fall nicht. Art.  2 Abs.  1 DS-GVO knüpft die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der DS-GVO an die Verarbeitung personenbezogener Daten, soweit diese ganz oder teilweise automatisiert erfolgt (Alt. 1) oder zwar keine automatisierte Verarbeitung erfolgt, aber Daten verarbeitet werden, die in einem „Dateisystem“ gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Alt. 2). Was eine Verarbeitung i.S.d. DS-GVO darstellt, ist in Art.  4 Nr. 2 DS-GVO legaldefiniert. Verarbeitung i.S.d. DS-GVO ist demnach jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung. Letztere Aufzählung ist nicht abschließend und bringt zum Ausdruck, dass schon aufgrund des Schutzzwecks der DS-GVO jeglicher Umgang mit personenbezogenen Daten eine Verarbeitung i.S.d. DS-GVO darstellt.

Art.  2 Abs.  2 DS-GVO regelt Ausnahmen von dem durch Abs. 1 vorgegebenen sachlichen Anwendungsbereich, wobei vorliegend ein Eingreifen der bereits angesprochenen sog. „Haushaltsausnahme“ nach Art. 2 Abs. 2 lit. c )DS-GVO in Betracht kommt.

b) Vorliegen der Anforderungen nach Art. 2 Abs. 1 DS‑GVO

Bei Kfz-Kennzeichen handelt es sich um Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen, und somit um personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO, denn es ist möglich, anhand des Kfz-Kennzeichens eine Person, den Halter, zu ermitteln und zu identifizieren, wenn auch unter Zuhilfenahme behördlicher Auskünfte.[7] Da die fotografierten Kfz-Kennzeichen Personenbezug aufweisen, gilt das in der Konsequenz auch für von K zusätzlich übermittelte Informationen zu Ort und Zeit der Fotoaufnahme sowie Marke und Typ des Fahrzeugs.

In den Nachrichten des K per E-Mail bzw. über das Onlinetool an die zuständige Polizeidienststelle liegt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten in Form der Datenübermittlung. Die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 1 Alt. 1 DS-GVO sind damit erfüllt.

c) Eingreifen der „Haushaltsausnahme“?

Art.  2 Abs.  2 lit. c) DS-GVO sieht eine Ausnahme von einer grundsätzlich gegebenen sachlichen Anwendbarkeit der DS-GVO gemäß Art.  2 Abs.  1 vor, sofern die Verarbeitung personenbezogener Daten „durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ erfolgt. Diese als „Haushaltsausnahme“ bezeichnete Regelung verfolgt den Zweck, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Grundrechten des Datenverarbeiters und der betroffenen Personen zu erzielen.[8] Sofern die Datenverarbeitung auf den Bereich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten des Datenverarbeiters beschränkt ist, erscheinen die Risiken für die Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Person so überschaubar, dass es vertretbar erscheint, durch Nichtanwendung der DS-GVO die private Sphäre gegen eine übermäßige Regulierung zu schützen.[9]

Zu beachten ist allerdings zum einen, dass das Eingreifen der Haushaltsausnahme nur zum Ausschluss der Anwendbarkeit der DS-GVO und der dort geltenden „einzelfallübergreifenden prozeduralen Vorgaben“ führt.[10] Personenbezogene Daten verarbeitende Privatpersonen sind in jedem Fall an die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Vorgaben gebunden.[11] Hierzu gehört insbesondere die Verpflichtung zur Achtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR), dessen Verletzung Schadensersatzansprüche des Betroffenen auslösen kann. Zum anderen ist die Regelung in Art. 2 Abs. 2 lit. c) DS-GVO wegen ihres Ausnahmecharakters, vor allem aber wegen des resultierenden Risikos für die Gewährleistung eines effektiven Datenschutzes eng auszulegen.[12]

Für die notwendige Abgrenzung zwischen rein privaten und nicht rein privaten Tätigkeiten ist ein Bündel an Kriterien maßgeblich, welches sich insbesondere an räumlichen und sozialen Gesichtspunkten sowie den Zwecken der Datenverarbeitung orientiert.[13] Nach dem EuGH kann eine Verarbeitung dann nicht mehr als eine ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeit angesehen werden, wenn sie sich auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten verarbeitet.[14]

Die von K getätigten Aufnahmen von Kfz einschließlich Kennzeichen sind von diesem sämtlich im öffentlichen Verkehrsraum erstellt worden. Die Aufnahmen wurden auch nicht nur für die persönliche Nutzung erstellt, sondern mit der Zweckbestimmung, diese an die Polizeiinspektion zur Verfolgung der darauf abgebildeten Ordnungswidrigkeiten weiterzuleiten. Folglich sind die Aufnahmen nicht ausschließlich im Rahmen persönlicher oder familiärer Tätigkeiten des Klägers verarbeitet worden und die Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. c) DS-GVO findet keine Anwendung.[15]

Zwischenergebnis: Die DS-GVO ist auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar.

4. Vorliegen einer rechtswidrigen Verarbeitung

Zu beantworten bleibt damit die Frage, ob die Datenübermittlungen durch K an die Polizei rechtswidrige Verarbeitungen darstellen und damit eine Verwarnung nach Art. 58 Abs. 2 lit. b) DS-GVO rechtfertigen oder aber die Übermittlungen durch eine entsprechende Rechtsgrundlage legitimiert sind.

Als Rechtsgrundlage für die Übermittlungen kommt nur die sog. Interessenabwägung gemäß Art.  6 Abs.  1 S. 1 lit. f) DS-GVO in Betracht. Hiernach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Zur diesbezüglichen Argumentation der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde vgl. die Ausführungen im Sachverhalt. Das Verwaltungsgericht (VG) Ansbach hat in der diesem Praxisfall zugrunde liegenden Entscheidung jedoch die Datenübermittlungen durch K als rechtmäßig und die Verwarnung der Behörde damit als rechtswidrig angesehen.

Seine Entscheidung begründete das Gericht im Einzelnen wie folgt:

Der Begriff des berechtigten Interesses i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO sei weit zu verstehen und könne rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen umfassen. Im konkreten Fall sei insofern insbes. Erwägungsgrund 50 S. 9[16] der DS-GVO zu berücksichtigen, so das VG Ansbach. Bei den Erwägungsgründen der DS-GVO handele es sich zwar nicht um eigenständige Rechtsnormen mit Regelungscharakter, vielmehr werde in den Erwägungsgründen nur die Zielsetzung ausgeführt, die durch den Verordnungsgeber verfolgt wurde. Die Erwägungsgründe seien insofern aber maßgeblich für die Auslegung der Regelungen der DS-GVO.

Trotz der Verortung im Zusammenhang mit der Weiterverarbeitung von Daten seien die Wertungen von Erwägungsgrund 50 S. 9 DS-GVO auch generell und nicht nur im Zusammenhang mit zweckändernden Verarbeitungen zu berücksichtigen. Auch sei unbedenklich, dass die genannte Bestimmung nur auf Straftaten abstelle und Ordnungswidrigkeiten, um dies es vorliegend aber ausschließlich geht, nicht erwähne. Anders als nach dem deutschen Verständnis seien vom unionsrechtlichen Begriff der Straftaten auch solche Tatbestände umfasst, welche eine Ordnungswidrigkeit i.S. des deutschen Rechts verwirklichen würden.

Diene die Übermittlung personenbezogener Daten an eine Polizeiinspektion dem Hinweis auf eine begangene Ordnungswidrigkeit, bestehe also grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Datenverarbeitung i.S.v. Art.  6 Abs.  1 S. 1 lit. f) DS-GVO, so das VG. Eine persönliche Betroffenheit des Anzeigenerstatters durch die Verkehrsordnungswidrigkeit sei für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich. K habe folglich ein berechtigtes Interesse, Ordnungswidrigkeiten auch unter Übermittlung von Lichtbildern der Polizei anzeigen zu können. Auf die Frage, ob dieses Verständnis eine unbegrenzte Übermittlung von Daten an die Polizei ermöglicht, komme es vorliegend nicht an, so das Gericht. Jedenfalls im konkreten Fall liege angesichts der geringen Zahl an Übersendungen keine Datenverarbeitung in unbegrenztem Maße vor, sodass über die Frage eines Rechtsmissbrauchs nicht entschieden werden müsse. Ob die durch K gemeldeten Verstöße gegen ordnungsrechtliche Vorschriften tatsächlich verfolgt werden, entscheide die Polizei als Verfolgungsbehörde gemäß dem im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Opportunitätsprinzip unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens (§ 47 Abs. 1 S. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG).

Aufgrund des weiten Verständnisses des Begriffs des berechtigten Interesses ergebe sich ein solches im Übrigen auch aus der zumindest abstrakten Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des K. Diese Gefährdung erhöhe sich durch Parkverstöße, bei denen z.B. die Gehwege teilweise blockiert und dadurch verengt werden oder die Einsicht in eine Kreuzung erschwert wird.

Bzgl. der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Wahrung des berechtigten Interesses führt das VG aus, dass eine Anzeigenerstattung nur durch eine Beschreibung der Umstände nicht in gleichem Maße wie ein Bild geeignet sei, eine Ahndung des Verstoßes herbeizuführen: Ein Lichtbild gebe die tatsächlichen Umstände des Verstoßes wieder, nämlich das verbotswidrig parkende Fahrzeug samt Kennzeichen sowie die Situation, aus welcher der verantwortliche Anzeigenerstatter darauf schließt, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist. Hierdurch werde es der Polizei im Vergleich zu einer meist durch subjektive Eindrücke geprägten Schilderung einer begangenen Ordnungswidrigkeit erleichtert, ihr Ermessen bezüglich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten auszuüben.

Zugunsten der Fahrzeughalter berücksichtigte das Gericht deren Interesse, im Straßenverkehr anonym zu bleiben, sowie das Interesse, nicht aufgrund des durch K dokumentierten Verstoßes wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden. Im Rahmen der Abwägung kam es aber zu dem Ergebnis, dass diese Interessen die berechtigten Interessen des K nicht überwiegen bzw. die Interessen des Halters nicht schutzwürdig sind.

Zwar könnten die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine Person vernünftigerweise nicht mit einer Verarbeitung rechnen muss (Erwägungsgrund 47 S. 4 DS-GVO). Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall, da die betroffenen Personen damit rechnen müssen, dass ihre Daten zum Zwecke der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit verarbeitet werden.

Auch bestehe gerade kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr, vielmehr muss das Kennzeichen eines Fahrzeugs stets gut lesbar (§ 23 Abs. 1 S. 3 StVO) und mithin öffentlich zugänglich sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.10.2014 – 6 C 7/13). Dass eine solche Anzeige nicht nur durch die Verfolgungsbehörden, sondern auch durch Privatpersonen erfolgen könne, zeige § 46 OWiG i.V.m. § 158 Abs. 1 StPO.

Der Eingriff in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten durch die Übermittlung der Lichtbilder, auf denen das KfzKennzeichen und die Situation des Parkverstoßes zu erkennen sind, sei schließlich als „denkbar geringfügig“ anzusehen, so die Urteilsbegründung, während dem Interesse des K, eine Ordnungswidrigkeit anzuzeigen, schon deshalb einiges Gewicht zuzusprechen sei, weil sich dieses berechtigte Interesse explizit in einem Erwägungsgrund der DS-GVO wiederfindet. Daneben komme auch dem beschriebenen Interesse des K an dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit einiges Gewicht zu. Das Interesse der betroffenen Personen, nicht aufgrund der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, müsse dagegen ebenfalls zurückstehen, da diesem ein rechtswidriges Verhalten zugrunde liege und das Interesse nicht schutzwürdig sei.

Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergab daher nach Auffassung des Gerichts, dass die Interessen von K als Verantwortlichem an der Datenverarbeitung diejenigen der betroffenen Fahrzeughalter überwiegen, die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO also erfüllt waren.

Ergebnis: Folgt man der dargestellten Argumentation des VG Ansbach, sind die Datenübermittlungen des K an die Polizei nicht rechtswidrig und die Verwarnung des K durch die Aufsichtsbehörde ist unzulässig erfolgt.

 

* RAin Yvette Reif, LL.M. ist stellvertretende Geschäftsführerin der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V. und Mitautorin des Werks Gola/Reif, Praxisfälle Datenschutzrecht, 2. Aufl. 2016.

 

[1] Der Praxisfall inklusive Sachverhaltsdarstellung basiert auf der Entscheidung des Verwaltungsgericht (VG) Ansbach v. 02.11.2022 – verbundene Verfahren AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431

[2] BeckOK DatenschutzR/Eichler/Matzke, 44. Ed. (01.05.2023), DS-GVO Art. 58 Rn. 20

[3] Paal/Pauly/Körffer, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., DS-GVO Art. 58 Rn. 18; Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Polenz, Datenschutzrecht, DS-GVO Art. 58 Rn. 29.

[4] Zum Streitstand vgl. bei Paal/Pauly/Körffer, DS-GVO Art. 58 Rn. 18.

[5] Paal/Pauly/Körffer, a.a.O.; für das Vorliegen eines feststellenden Verwaltungsaktes auch VG Hannover, Urt. v. 27.11.2019 – 10 A 820/19; VG Mainz, Urt. v. 17.12.2020 – 1 K 778/19.MZ sowie das VG Ansbach in der diesem Praxisfall zugrundeliegenden Entscheidung (vgl. Fn. 1).

[6] Paal/Pauly/Körffer, a.a.O.

[7] VG Ansbach v. 02.11.2022 – verbundene Verfahren AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431 m.w.N.

[8] Vgl. etwa Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO Art. 2 Rn. 23 m.w.N

[9] BeckOK DatenschutzR/Bäcker, 44. Ed. (01.11.2021), DS-GVO Art. 2 Rn. 12

[10] BeckOK DatenschutzR/Bäcker, 44. Ed. (01.11.2021), DS-GVO Art. 2 Rn. 12

[11] BeckOK DatenschutzR/Bäcker, 44. Ed. (01.11.2021), DS-GVO Art. 2 Rn. 12

[12] Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann/Roßnagel, DS-GVO Art.  2 Rn. 23 m.w.N.

[13] BeckOK DatenschutzR/Bäcker, 44. Ed. (01.11.2021), DS-GVO Art. 2 Rn. 14

[14] EuGH, Urt. v. 11.12.2014 – C-212/13; die Entscheidung bezieht sich noch auf die Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie), ist aber auf die DS-GVO übertragbar

[15] VG Ansbach v. 02.11.2022 – verbundene Verfahren AN 14 K 22.00468 und AN 14 K 21.01431.

[16] Erwägungsgrund 50 S. 9 DS-GVO hat folgenden Inhalt: „Der Hinweis des Verantwortlichen auf mögliche Straftaten oder Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit und die Übermittlung der maßgeblichen personenbezogenen Daten in Einzelfällen oder in mehreren Fällen, die im Zusammenhang mit derselben Straftat oder derselben Bedrohung der öffentlichen Sicherheit stehen, an eine zuständige Behörde sollten als berechtigtes Interesse des Verantwortlichen gelten.“