Urteil : Kündigung wegen heimlichen Gesprächsmitschnitts : aus der RDV 6/2016, Seite 334 bis 337
(Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 3. Februar 2016 – 7 Sa 220/15 –)
- Bei dem heimlichen Mitschnitt eines vertraulichen Personalgesprächs auf einem Smartphone und der anschließenden Verwendung dieser Aufnahme handelt es um eine so schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht, dass eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zulässig sein kann.
- Das heimliche Mitschneiden eines Gesprächs ist unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung rechtswidrig, weil es das Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes verletzt. Es darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf.
Sachverhalt:
Im Rahmen eines Rechtsstreites vor dem Arbeitsgericht Mainz hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin schriftsätzlich vorgetragen, die Klägerin habe am 9. Oktober 2013 das Gespräch zwischen ihrem Vorgesetzten, dem Leiter der Familienkasse W. und ihr auf ihrem Smartphone aufgezeichnet. Mit Schreiben vom 11. Juni 2014 wurde die Klägerin daraufhin von der Beklagten zum Vorwurf der heimlich technischen Aufzeichnung des Gesprächs angehört. Sie nahm hierzu durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 23. Juli 2014 Stellung. Die Beklagte beteiligte anschließend den Personalrat im Hinblick auf eine beabsichtigte ordentliche Kündigung. Der Personalrat stimmte der beabsichtigten Kündigung am 6. August 2014 zu.
Unter den 6. August 2014 (BI. 15 fd. A.) kündigte die Beklagte der Klägerin fristgerecht zum 30. September 2014 wegen der heimlichen technischen Aufzeichnung im Zusammenhang mit einem Personalgespräch mit ihrem Vorgesetzten und deren unbefugter Überlassung an Dritte. Zur strafrechtlichen Prüfung des Sachverhaltes wurde von dem Leiter der Familienkasse W. V. X., Strafanzeige erstattet. Es ergingen Strafbefehle, gegen die von der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten Einspruch eingelegt wurde.
Mit ihrer am 11. August 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich die Klägerin gegen die ihr am 9. August 2014 zugegangene Kündigung vom 6. August 2014.
Aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 6. August 2014 wegen heimlicher Aufnahme des Gesprächs mit dem Leiter der Familienkasse V. X. durch die Klägerin auf ihrem Smartphone und die spätere Verwendung dieser Aufnahme beendet worden.
III. Die Klägerin hat die von der Beklagten am 6. August 2014 ausgesprochene Kündigung innerhalb der 3-Wochen-Frist der §§ 4, 7 KSchG angegriffen. Sie ist jedoch sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, 2 KSchG). Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund ist gegeben.
1. Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist unter anderem dann nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine verträglichen Hauptoder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen – wie etwa eine Abmahnung – von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken (vgl. nur BAG, Urteil vom 23. Januar 2013 – 2 Sa 252/12 – NZA 2014, 965, 966 Rn. 16 m.w.N.). Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Versetzung und eine Abmahnung in Betracht.
Beruht die Vertragspflichtverletzung aufsteuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugeben, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdmck kommenden Verhältnismäßigkeitsgnmdsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverietzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 2 AZR 994/12 – NZA 2014, 250, 252; vom 23. Januar 2013 – 2 Sa 252/12 – NZA 2014, 965, 966 Rn. 16, jeweils m.w.N.).
2. Danach ist die ordentliche Kündigung vom 6. August 2014 durch Gründe im Verhalten der Klägerin bedingt. Ein kündigungsrelevantes Verhalten liegt nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Auch die erhebliche Verletzung einer verträglichen Nebenpflicht kann eine Kündigung sozial rechtfertigen (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 583/12 – NZA 2013, 1345, 1347 Rn. 24 m.w.N.). Nach der allgemeinen Regel des § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitsgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 583/12 – NZA 2013, 1345, 1347 Rn. 26 m.w.N.).
Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und eine stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt wird. Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis, sondern ein Rechtsverhältnis eigener Art, weil es nicht auf eine Arbeitsleistung im üblichen Sinn gerichtet ist, sondern als Maßnahme der Rehabilitation dem Arbeitnehmer ermöglichen soll, die Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Zur Begründung des Wiedereingliederungsverhältnisses bedarf es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit (BAG, Urteil vom 24. September 2014 – 5 AZR 61 1/12 – AP BGB § 615 Nr. 135 Rn. 32). Trotz dieser Zielsetzung des Wiedereingliederungsverhältnisses bestehen in diesem Nebenpflichten, die sich als fortwirkende Ausstrahlung des in seinen Hauptpflichten weiter ruhenden Arbeitsverhältnisses ergeben, soweit sie mit dem Zweck der Wiedereingliederungsmaßnahme vereinbar sind, wie das Weisungsrecht, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, Treuepflichten (BAG, Urteil vom 29. Januar 1992-5 AZR 37/91 – NZA 1992, 643, 644) und auch die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Dabei ist das Fortdauern der Nebenpflichten für die Durchführung des Wiedereingliederungsverhältnisses von großer Bedeutung, da im Wiedereingliederungsverhältnis der Arbeitnehmer – wenn auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses – im Betrieb tätig ist. Sowohl um etwaige Gefahren von allen Beteiligten abzuwenden bzw. verhindern zu können, als auch um den Vertragszweck des Wiedereingliederungsverhältnisses zu erreichen, ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber seinen Nebenpflichten nachkommt, entsprechendes vom Arbeitnehmer erwarten darf und auch Weisungen erteilen kann (Schmidt NZA 2007, 893, 895).
Die Klägerin hat ihre arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch die heimliche Aufnahme eines zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten, dem Leiter der Familienkasse X., geführten Personalgesprächs erheblich verletzt. Sie hat darüber hinaus den heimlich erstellten Gesprächsmitschnitt gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten und ein mithilfe der Aufnahme erstelltes Wortprotokoll im Rahmen des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht Mainz mit dem Az. 9 Ca 213/14 verwendet.
Der heimliche Mitschnitt eines Personalgesprächs ist grundsätzlich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte als auch eine außerordentliche Kündigung „an sich“ zu rechtfertigen. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung (vgl. § 201 StGB) an. Maßgeblich ist die mit diesem Verhalten verbundene Verletzung der dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11 – NZA 2013, 143 zur außerordentlichen Kündigung).
Die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht wird verletzt, wenn der Arbeitnehmer durch sein Vorgehen in den Schutzbereich der Grundrechte seines Vorgesetzten oder anderer Mitarbeiter eingreift, ohne dass dies durch überwiegende Interessen des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist.
Das heimliche Mitschneiden des Gesprächs durch die Klägerin ist rechtswidrig, weil aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes folgt. Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf (BVerfG, Beschluss vom 31. Januar 1973-2 BvR 454/71 -NJW 1973, 891). Das Grundrecht umfasst die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig seinem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen (BVerfG [3. Kamuner des l. Senats], Beschluss vom 19. Dezember 1991 – 1 BvR 382/85 – NJW 1992, 815). (wird weiter ausgeführt)
3. Die Pflichtverletzungen sind der Klägerin auch vorwerfbar.
Grundsätzlich ist eine Pflichtverletzung dem Arbeitnehmer nur dann vorwerfbar, wenn dieser seine ihr zugrunde liegende Handlungsweise steuern konnte. Ein Verhalten ist steuerbar, wenn es vom Willen des Arbeitnehmers beeinflusst werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die Pflichterfüllung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen subjektiv nicht möglich ist. Liegt dagegen nur ein objektiv pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers vor, so kann dies ausnahmsweise dann eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen, wenn die Folgen für den Arbeitgeber erheblich waren. Ein nicht schuldhaftes Fehlverhalten kann auch dann genügen, wenn auf Grund objektiver Umstände mit wiederholten Pflichtwidrigkeiten des Arbeitnehmers zu rechnen ist.
Die Klägerin hat ihr Verhalten sowohl beim Mitschnitt des Gesprächs als auch bei seiner späteren Verwendung bewusst gesteuert. Sie hat nach ihrem Vertrag das vertrauliche Personalgespräch gezielt mitgeschnitten, um in einer aus ihrer Sicht möglichen späteren prozessualen Auseinandersetzung ein Beweismittel über den Inhalt des Gesprächs in der Hand zu haben. Das mit Hilfe des Mitschnitts erstellte Wortprotokoll wurde durch ihren Prozessbevollmächtigten schriftsätzlich wiedergegeben.
Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe hat die Klägerin nicht substantiiert aufgezeigt. Die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess ist abgestuft, soweit es um Gründe geht, die das Verhalten des Arbeitnehmers entlasten oder entschuldigen könnten. Der Arbeitgeber darf sich zunächst darauf beschränken, den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung vorzutragen. Er muss nicht jeden erdenklichen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund ausschließen. Vielmehr ist es Sache des Arbeitnehmers, für das Eingreifen solcher Umstände zumindest greifbare Anhaltspunkte aufzuzeigen. Der Arbeitgeber muss erst bei substantiierter Einlassung des Arbeitnehmers beweisen, dass dessen Behauptungen nicht zutreffen (BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15 – NZA 2016, 161, 165 Rn. 40).
Wie unter 2. dargelegt, war die Klägerin nicht gezwungen, zur Wahrnehmung ihrer Rechte einen heimlichen Gesprächsmitschnitt anzufertigen, auf dessen Grundlage ein Wortprotokoll zu erstellen und dieses in den Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Mainz, Az. 9 Ca 213/14 einzuführen. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist ihr über § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen.
Zweifel an der Schuldfähigkeit der Klägerin (§§ 20, 21 StGB) bestehen nicht. Zwar hat die Klägerin erstinstanzlich bestritten, dass sie bei der Aufnahme vollumfänglich schuldfähig im Sinn der §§ 20, 21 StGB gewesen sei. Vertrag hierzu hat sie jedoch nicht gehalten. Zweifel an der Schuldfähigkeit der Klägerin ergeben sich auch nicht aus dem an das Amtsgericht Mainz gerichteten Schreiben des Dr. med. N. T., A-Stadt vom 25. Mai 2014 (BI. 96 ff. d. A. ). Dr. T. stellt in diesem Schreiben abschließend die Diagnose „Generalisierte Angststörung nach multiplen Kränkungen durch Arbeitgeber und Kollegen“. Er führt ergänzend aus, die Klägerin habe „mit schwerwiegenden Ängsten und Schlafstönmgen zu kämpfen und“ sei „seit dem 27.06.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Die aktuelle Erkrankung“ sei „im Zusammenhang mit den beruflichen Kränkungen entstanden. Zur Behandlung“ werde „sie erstmals auch medikamentös behandelt“.
4. Das Fehlverhalten der KIägerin hat sich betrieblich ausgewirkt. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und ihrem Vorgesetzten X. sowie zwischen ihr und der Beklagten ist durch den heimlichen Mitschnitt des vertraulichen Personalgesprächs und seine spätere Verwendung zerstört.
5. Eine auf diese Pflichtverletzungen gestützte ordentliche Kündigung ist nicht unverhältnismäßig. Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch der verhaltensbedingten Kündigung nicht einschlägig abgemahnt. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte es im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer nicht. Angesichts der Schwere der Pflichtverletzungen war eine Hinnahme des Verhaltens der Klägerin durch die Beklagte ausgeschlossen. Die mit einer Abmahnung oder Versetzung als mildere Mittel verbundene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus ist der Beklagten objektiv unzumutbar.
Bei dem heimlichen Mitschnitt eines vertraulichen Personalgesprächs auf einem Smartphone und der anschließenden Verwendung dieser Aufnahme handelt es um eine so schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht, dass die Klägerin davon ausgehen musste, dass dieser Verstoß auch ohne vorherige Abmahnung zur einer (ordentlichen) Kündigung durch die Beklagte führen würde.
Die Klägerin musste auch nicht vor der Beklagten auf das Verbot heimlicher Gesprächsaufaahmen hinweisen. Der Arbeitgeber kann davon ausgehen, dass allen Mitarbeitern ein solches Verbot auch ohne ausdrücklichen Hinweis bekannt ist. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass nach § 201 Abs. l StGB „mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe“ bestraft wird, „wer unbefugt 1. das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. „Gemäß § 201 Abs. 2 Nr. 2 StGB wird ebenso bestraft, „wer unbefugt“ „das nach Abs. 1 Nr. 1 aufgenommene (…) nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen im Wortlaut oder seinem wesentlichen Inhalt nach öffentlich mitteilt“. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass ihr das Verbot heimlicher Mitschnitte und ihrer Verwendung nicht bekannt gewesen wäre. Sie hat sich lediglich darauf berufen, subjektiv keine andere Wahl als den Gesprächsmitschnitt gehabt zu haben. Diese Einschätzung hat sie auch nach anwaltlicher Beratung aufrechterhalten und sich weitergehend auf das erstellte Wortprotokoll gestützt.
6. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil die Klägerin auf einem anderen Arbeitsplatz zu Bedingungen hätte weiterbeschäftigt werden können, unter denen sich die eingetretene Vertragsstörung nicht mehr, zumindest nicht mehr in erheblicher Weise ausgewirkt hätte. Selbst wenn ein anderweitiger Arbeitsplatz frei gewesen wäre, wäre der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nach Ansicht der Kammer nicht zumutbar gewesen. Durch die Pflichtverletzungen der Klägerin ist nicht nur das Vertrauen des Herrn X. gegenüber der Klägerin zerstört worden. Anlass für die Pflichtverietzungen war aus Sicht der Klägerin nicht lediglich ein konkretes Verhalten des Herrn X. oder ein zerrüttetes Verhältnis zwischen der Klägerin und Herrn X. Der Klägerin war erst seit dem 27. Juni 2013 die Tätigkeit als Assistentin Kindergeld in der Agentur für Arbeit C. -Stadt (Familienkasse W.) übertragen worden. Seit diesem Zeitpunkt war sie arbeitsunfähig erkrankt, so dass es erst im Zuge am 2. Oktober 2013 begonnenen Wiedereingliederung zu einer Tätigkeit der Klägerin in der Familienkasse W. kam. Das Misstrauen der Klägerin, dass sie aus ihrer Sicht zum heimlichen Gesprächsmitschnitt veranlasste, ist nicht nur gegen ihren Vorgesetzten X. sondern ebenfalls gegen die Beklagte insgesamt gerichtet. Die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten konnte daher durch die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes nicht beseitigt werden. Die Beklagte ist verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor der Gefahr der Aufnahme von vertraulichen Gesprächen und deren späterer Verwendung zu schützen.
7. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergibt nach Ansicht der Kammer ein Überwiegen der Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Rahmen der erforderlichen umfassenden Interessenabwägung ist das Interesse des Arbeitnehmers an dem Erhalt des Arbeitsplatzes dem Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüberzustellen. Gesichtspunkte sind unter anderem die Wiederholungsgefahr, die Art, Schwere und Häufigkeit der vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten, ein früheres Verhalten des Arbeitnehmers, ein Mitverschulden des Arbeitgebers, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter des Arbeitnehmers, die Lage auf dem Arbeitsmarkt sowie etwaige Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers.
Die Kammer hat insoweit insbesondere berücksichtigt, dass die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit wiederholt versichert hat, keine heimlichen Aufnahmen mit ihrem Smartphone mehr anzufertigen und dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat. Die Klägerin hat jedoch nicht nur eine heimliche Aufnahme angefertigt, sondern mit Hilfe der Aufnahme auch ein Wortprotokoll angefertigt und dessen Inhalt – anwaltlich vertreten – in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren verwendet. Die Aufnahme betraf nicht (nur) ein zufällig geführtes Gespräch zwischen Arbeitskollegen, sondern ein Gespräch zwischen der Klägerin und ihrem Vorgesetzten, das durch besondere Vertraulichkeit gekennzeichnet ist. Schließlich ist die Klägerin zumindest in den zweiten Teil des Gesprächs bewusst in der Absicht hineingegangen, eine heimliche Aufnahme anzufertigen. Ein solches Verhalten kann sogar ein wichtiger Grund für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung sein.
Die Kammer hat im Rahmen der Interessenabwägung aber auch bedacht, dass es in dem Ausbildungsverhältnis, das dem befristeten Arbeitsverhältnis vorangegangen ist, zu Schwierigkeiten gekommen ist, infolge derer die Klägerin laut dem Schreiben des Dr. med. N. T. vom 25. Mai 2014 an einer generalisierten Angststörung nach multiplen Kränkungen durch Arbeitgeber und Kollegen litt. In die Interessenabwägung eingezogen hat die Kammer weiter, dass der Klägerin im Anschluss an ihre Ausbildung (lediglich) ein Arbeitsvertrag in der Tätigkeitsebene VI übertragen worden war, während – nach dem Vertrag der Klägerin – alle anderen Auszubildenden mit TE V eingestellt wurden.
Zu berücksichtigen war aber weiter auch, dass die Klägerin im befristeten Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der heimlichen Aufnahme wegen Arbeitsunfähigkeit noch keine Arbeitsleistung erbracht hatte. Ihre Ausbildung hatte die Klägerin erst seit weniger als vier Monaten abgeschlossen. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung bestand das befristete Arbeitsverhältnis erst seit weniger als 14 Monaten.
In die Interessenabwägung einbezogen hat die Kammer außerdem einerseits, dass die Klägerin im Kündigungszeitpunkt (erst) 31 Jahre alt war, andererseits aber ebenfalls, dass sie längere Zeit erkrankt gewesen war und dass ihre Ausbildung zur Fachangestellten für Arbeitsfördenmg auf eine Berufstätigkeit bei der Beklagten ausgerichtet ist. Schließlich hat die Kammer in die Abwägung einbezogen, dass die Beklagte über eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verfügt.
Zugunsten der Beklagten war jedoch auch zu berücksichtigen, dass diese ein hohes Interesse daran hat, die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes, insbesondere im Hinblick auf Personalgespräche, zu wahren. Personalgespräche müssen geführt werden können, ohne den Argwohn und die Befürchtung, dass deren heimliche Aufnahme ohne die Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet wird. Da heute viele Arbeitnehmer Smartphones verwenden, diese problemlos verborgen in Hosen- oder Jackentaschen mitgeführt werden können und die Aufnahme eines Gesprächs ohne größeren Aufwand möglich ist, kann die Beklagte ihre Mitarbeiter und sich selbst, wenn überhaupt, dann nur mit großem Aufwand vor der missbräuchlichen Nutzung von Smartphones schützen. Der Gesprächspartner hat in der Regel keine Möglichkeit, zu erkennen, dass ein (vertrauliches) Gespräch mitgeschnitten wird. Die Beklagte hat daher ein überwiegendes Interesse daran, dass an die unbefugte Benutzung von Smartphones im Betrieb und ganz besonders in Personalgesprächen weitreichende Sanktionen geknüpft sind.