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Urteil : Dem Auskunftsbegehren auf Nennung der Mitgesellschafter einer Publikumsgesellschaft zum Zweck eines Kaufangebots steht DS-GVO nicht entgegen : aus der RDV 2/2024, Seite 118-120

(BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 – II ZB 3/23 –)

Rechtsprechung
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Ein Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das auch dem Ziel dient, die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter dazu zu verwenden, diese Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten, stellt keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen.

Aus den Gründen:

aa) Nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung stellt ein Auskunftsersuchen des Gesellschafters, das auch dem Ziel dient, die Namen, Anschriften und Beteiligungshöhe der Mitgesellschafter dazu zu verwenden, diesen Kaufangebote für ihre Anteile zu unterbreiten, keine unzulässige Rechtsausübung und keinen Missbrauch des Auskunftsrechts dar. Einem solchen Auskunftsbegehren stehen auch nicht die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung entgegen (OLG München, NZG 2019, 540 Rn. 23, 27 ff.; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2019 – 10 U 146/18, BeckRS 2019, 67300 Rn. 44 ff., 54 f.; KG, Beschl. v. 15.04.2020- 23 U 149/18, juris Rn. 30, 34 f.; NZG 2020, 985 Rn. 16 aE). Diese Rechtsprechung ist in der Literatur auf Zustimmung gestoßen (MünchKommHGB/Grunewald, Bd. 2, 5. Aufl., § 166 Rn. 15; Chatard/Horn, ZIP 2019, 2242, 2244, 2247 f.; Kunkel/Kunkel, jurisPR-HaGesR 41/2021 Anm. 6; Schultheis, GWR 2019, 93; Vosberg/Klawa, EWiR 2019, 231, 232; Wehmeyer, PinG 2019, 182). Eine Grundsatzbedeutung i.S.d. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO kann entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch nicht durch die abweichende, zumal nicht rechtskräftig gewordene Entscheidung des Landgerichts München I (Urt. v. 22.12.2017 – 15 O 3391/17, BeckRS 2017, 15416 als Vorinstanz zu OLG München, NZG 2019, 540) begründet werden. Ebenso wenig vermag die von der Rechtsbeschwerde angeführte abweichende Literaturstimme (Paul, GWR 2019, 413, 415), welche die Kenntnis der Beteiligungshöhe der übrigen Mitgesellschafter lediglich für sinnvoll, nicht aber für erforderlich i.S.d. Art.  6 Abs.  1 UAbs.  1 Buchst. b) DS-GVO erachtet, grundsätzlichen Klärungsbedarf begründen (vgl. BGH, Beschl. v. 08.02.2010 – II ZR 54/09,ZIP 2010, 985 Rn. 3).

bb) Diese obergerichtliche Rechtsprechung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 Rn. 12; Urt. v. 16.12.2014 – II ZR 277/13, ZIP 2015, 319 Rn. 11). Danach muss, wer sich an einer Personen- bzw. Personenhandelsgesellschaft, insbesondere in Form einer Publikumsgesellschaft beteiligt, damit rechnen, dass neben seinen Daten auch seine Beteiligungshöhe an seine Mitgesellschafter bzw. diesen gleichgestellten Mittreugebern mitgeteilt wird. Aufgrund des durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnisses ist es ein unentziehbares mitgliedschaftliches Recht des Gesellschafters, die Beteiligungshöhe seiner Mitgesellschafter zu erfahren. Zwar bezogen sich die bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ausdrücklich nur auf die Kenntnis der Mitgesellschafter, d.h. deren Namen und Anschriften. Aus der Begründung des Auskunftsrechts durch den Bundesgerichtshof ergibt sich aber mit hinreichender Klarheit, dass auch die Mitteilung der Beteiligungshöhe datenschutzrechtlich zulässig ist. In jeder Gesellschaft ist das Zusammenwirken der Gesellschafter ein elementarer Bestandteil der Willensbildung. Deshalb muss insbesondere der Anleger einer Publikumsgesellschaft, wenn seine Stimmkraft von der Höhe der gezeichneten Kapitaleinlage abhängig ist, wie hier nach § 11 Nr. 3 GV, wissen, wie die Stimmen und damit die Machtverhältnisse in der Gesellschaft verteilt sind, um seine Mitgliedschaftsrechte informiert ausüben zu können. Es macht für die Stellung des die Auskunft begehrenden Gesellschafters gerade einen entscheidenden Unterschied, ob neben ihm nur Kleinanleger oder auch ein oder mehrere Großanleger beteiligt sind (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 Rn. 33). Infolgedessen ist auch die Kenntnis vom Umfang der Beteiligungen der Mitgesellschafter für die informierte Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich i.S.d. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO.

cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird der Rahmen der üblichen gesellschaftlichen Belange nicht verlassen, wenn darüber hinaus die Auskunft auch zu dem weiteren Zweck verlangt wird, Kaufangebote für Anteile von Mitgesellschaftern vorzubereiten. Es ist ein legitimes, aus dem Gesellschaftsverhältnis und dem daraus entstandenen Vertragsverhältnis entstandenes Interesse eines Gesellschafters, seinen Einfluss auf die Gesellschaft durch den Ankauf weiterer Anteile zu vergrößern (vgl. OLG München, NZG 2019, 540 Rn. 30; OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2019 – 10 U 146/18, BeckRS 2019, 67300 Rn. 54 f.; KG, Beschl. v. 15.04.2020 – 23 U 149/18, juris Rn. 34 f.). Aufgrund der Verwendung der Daten in Angelegenheiten der Gesellschaft(er) sowie nur gegenüber Mitgesellschaftern kann ein solches Erwerbsangebot auch nicht mit einer Weitergabe der Daten an Dritte oder eine Nutzung zu gesellschaftsfremden Zwecken verglichen werden (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.2013 – II ZR 134/11, BGHZ 196, 131 Rn. 44).

dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gebietet das Merkmal der Erforderlichkeit in Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b) DS-GVO auch nicht, diese Auskunftsansprüche anstatt einer Übermittlung der personenbezogenen Daten an den Anspruchsteller in der Weise zu erfüllen, dass der Anspruchsgegner oder ein Dritter als Informationstreuhänder die Information über die Erwerbsabsicht eines Gesellschafters zum jederzeitigen Abruf bereithält oder den anderen Gesellschaftern bei entsprechender vorheriger Einwilligung proaktiv mitteilt. Die Rechtsbeschwerde legt bereits die von ihr hierfür geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung bzw. den Rechtsfortbildungsbedarf gemäß § 574 Abs. 2 nicht dar.

Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass sich der die Auskunft begehrende Gesellschafter nicht in Anlehnung an § 127a AktG auf ein Internetforum oder auf die Einrichtung eines Datentreuhänders als milderes Mittel verweisen lassen muss. Es muss vielmehr den Gesellschaftern überlassen bleiben, auf welchem Weg und in welcher Weise sie sich an ihre Mitgesellschafter wenden wollen (vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 17; Beschl. v. 22.02.2016 – II ZR 48/15, ZD 2016, 586 Rn. 13 m.w.N.). In der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2019 – 10 U 146/18, BeckRS 2019, 67300 Rn. 49 f.; ebenso vor Inkrafttreten des Art.  6 Abs.  1 UAbs.  1 Buchst. b) DS-GVO, OLG Stuttgart, Urt. v. 10.10.2012 – 14 U 13/12, juris Rn. 202 f.) und im Schrifttum (Chatard/Horn, ZIP 2019, 2242, 2245) wird dementsprechend die Erfüllung der Auskunfts- bzw. Einsichtnahmeansprüche eines Gesellschafters über einen Informationstreuhänder nicht für hinreichend erachtet, da auf diesem Weg die mitgliedschaftlichen Rechte des die Auskunft begehrenden Gesellschafters nicht ausreichend gewahrt werden. Das einzige abweichende, zumal nicht rechtskräftige Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.08.2018 (2-20 O 268/17, BeckRS 2018, 23648 Rn. 11 als Vorinstanz zu OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2019 – 10 U 146/18, BeckRS 2019, 67300 Rn. 49 f.) kann keine Grundsatzbedeutung i.S.d. § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründen. Ebenso wenig besteht der geltend gemachte Rechtsfortbildungsbedarf. In der Rechtsprechung und Literatur sind die Grundlagen des Auskunftsrechts eines Gesellschafters ausreichend geklärt. Diese Grundsätze sind lediglich auf den vorliegenden Auskunftsanspruch anzuwenden. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die Belästigung der anderen Treugeber durch die Übermittlung unerwünschter Kaufangebote auch nicht erheblicher, sondern vielmehr lediglich geringfügiger Art. Es steht ihnen frei, etwaige Kaufangebote der Klägerin anzunehmen oder abzulehnen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 20.12.2019- 10 U 146/18, BeckRS 2019, 67300 Rn. 55).