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Urteil : BGH bestimmt Voraussetzungen für das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DS‑GVO : aus der RDV 4/2024, Seite 233 bis 234

(BGH, Urteil vom 5. Mai 2024 – VI ZR 330/21 –)

Rechtsprechung
Lesezeit 7 Min.

Der BGH schränkt in der vorliegenden Entscheidung die bisherige Rechtsprechung zum Recht auf Kopie deutlich ein. Teilweise wurde das Recht auf Kopie in der Vergangenheit sehr weit verstanden und dahingehend ausgelegt, dass die betroffene Person eine Kopie aller Dokument verlangen kann, in denen sich nur eine einzige personenbezogene Information befindet. Diese Sichtweise hat der BGH nun ausdrücklich abgelehnt. Er spricht der betroffenen Person nur dann ein Recht auf Kopie eines gesamten Dokumentes zu, wenn dies erforderlich ist, um eine vollstände Auskunft zu erteilen.

Pauschal bejaht werden kann dies für E-Mails von der betroffenen Person an den Verantwortlichen, da es sich bei deren gesamten Inhalt um personenbezogene Daten handelt. Eine Prüfung des Einzelfalls ist hingegen erforderlich bei E-Mails des Verantwortlichen an die betroffene Person und internen Vermerken des Verantwortlichen, da es sich bei den genannten Dokumenten bzw. Vermerken nicht zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten handelt. Das ist zwar möglich, jedoch nicht pauschal anzunehmen.

Uneingeschränkte Begehren, Unterlagen herauszugeben, in denen die betroffene Person genannt wird, können daher in Zukunft in den meisten Fällen wohl zurückgewiesen werden. Sie müssen dann aber in anderer Form erfüllt werden. Hierbei ist zu beachten, dass sich eine Pflicht zur Kopie auch daraus ergeben kann, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten.

Relevanz für die Praxis

  1. Die Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Der Vollständigkeit der Auskunft kann, wenn es sich bei dem gesamten Inhalt eines Dokuments um personenbezogene Daten handelt, daher nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden.
  2. Bei von der betroffenen Person verfassten Schreiben und E-Mails, die dem Verantwortlichen vorliegen, handelt es sich stets ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten.
  3. Weder bei Schreiben und E-Mails des Verantwortlichen noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen des Verantwortlichen und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen handelt es sich zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der betroffenen Person, auch wenn sie Informationen über die betroffene Person enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die betroffene Person telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die betroffene Person enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist.

(Nicht amtliche Leitsätze)

Aus den Gründen

b) Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gibt der betroffenen Person gegenüber dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen (Art. 4 Nr. 7 DS-GVO) ein Auskunftsrecht über die Verarbeitung personenbezogener Daten. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO legt die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der dem datenschutzrechtlich Verantwortlichen obliegenden Verpflichtung fest, indem er unter anderem die Form bestimmt, in der die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen sind, nämlich in Form einer „Kopie“ der Daten, gewährt aber kein anderes Recht als das in Art.  15 Abs.  1 DS-GVO vorgesehene (vgl. EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 31 f.). Auf dieser Grundlage hat die Klägerin nur Anspruch auf Überlassung von Kopien der von ihr verfassten, bei den Beklagten vorhandenen Schreiben und E-Mails.

aa) Gem. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist (vgl. EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 23 f.; Senatsurteil v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 22 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen sind – wovon das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen ist – Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten (vgl. Senatsurteile vom 06.02.2024 – VI ZR 15/23, zVb; vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25; BGH, Urt. v 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 48). Dass diese Schreiben der betroffenen Person bereits bekannt sind, schließt den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nicht aus (vgl. Senatsurteil vom 15.06.2021 – VI ZR 576/19, NJW 2021, 2726 Rn. 25 m.w.N.).

bb) Mit ihrem vom Berufungsgericht zuerkannten Antrag verlangt die Klägerin – wie erläutert -, ihr eine Abschrift von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Gesprächsprotokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zu überlassen, in denen personenbezogene Daten der Klägerin enthalten sind, die die Beklagten verarbeiten. Nach den Ausführungen unter aa) handelt es sich zwar bei den von der Klägerin verfassten Schreiben und E-Mails, die den Beklagten vorliegen, ihrem gesamten Inhalt nach um personenbezogene Daten, weshalb die Klägerin im Ergebnis nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO eine Kopie dieser Schreiben und E-Mails fordern kann, auch wenn sich der Begriff der Kopie in dieser Vorschrift nicht auf ein Dokument als solches bezieht, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 72; v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32). Denn die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 73; v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 32, 39). Der Vollständigkeit der Auskunft kann hier nur durch eine Kopie des gesamten Dokuments genügt werden.

Demgegenüber handelt es sich – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – weder bei Schreiben und E-Mails der Beklagten, noch bei Telefonnotizen, Aktenvermerken oder Gesprächsprotokollen der Beklagten und auch nicht bei Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen zwangsläufig in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten der Klägerin, auch wenn sie Informationen über die Klägerin enthalten. Zwar ist bei internen Vermerken wie Telefonnotizen oder Gesprächsprotokollen, die festhalten, wie sich die Klägerin telefonisch oder in persönlichen Gesprächen äußerte, denkbar, dass der Vermerk ausschließlich Informationen über die Klägerin enthält. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass dies in allen Fällen so ist. Deshalb ergibt sich aus dem Erfordernis, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, kein Anspruch der Klägerin darauf, dass – wie von ihr gefordert – alle diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen sind. Zwar kann sich die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken unabhängig vom Erfordernis, eine vollständige Auskunft zu erteilen, dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten und der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten (vgl. EuGH, Urt. v. 04.05.2023 – C-487/21, NJW 2023, 2253 Rn. 41, 45; v. 22.06.2023 – C-579/21, NJW 2023, 2555 Rn. 66; v. 26.10.2023 – C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 74 f.; Senatsurteil v. 06.02.2024 – VI ZR 15/23, zVb; BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22, NJW 2023, 3490 Rn. 51 ff.). Die Klägerin hat aber weder in den Vorinstanzen dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie der geforderten Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, E-Mails und Briefe der Beklagten sowie Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen nötig wäre. […]

d) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergäbe, dass die Klägerin – wie von der Revision behauptet -, mit dem geltend gemachten Anspruch einen dem Datenschutzrecht fremden Zweck verfolgt. Im Übrigen besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann, wenn mit dem Antrag andere als die in S. 1 Erwägungsgrund 63 DS-GVO genannten Zwecke verfolgt werden (vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22, NJW 2023, 3481 Rn. 38, 51 f.).

Zur Vertiefung

Peisker, Die Kopie nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO – Gedanken zur EuGH-Entscheidung in der Rs. C-487/21 = RDV 3/2023

Allgayer, Die Datenschutz-Grundverordnung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts = RDV 1/2024 und RDV 1/2023

Nowak/Bornholdt, Zum Recht auf Kopie und zur rechtlichen Weite eines Anspruchs gem. Art.  15 Abs.  3 der DatenschutzGrundverordnung = RDV 4/2020

[Urteil] Zum Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung = RDV 3/2024

[Urteil] Recht auf kostenlose Kopie der eigenen Patientenakte = RDV 1/2024

[Urteil] Zur erforderlichen Bestimmtheit der Auskunfts- und Klageanträge im Kontext des Art. 15 DS-GVO = RDV 6/2023

[Urteil] Reichweite des Rechts auf Kopie aus Art.  15 Abs.  3 S. 1 DS-GVO = RDV 4/2023

[Urteil] Zum Recht auf kostenlose Kopie der juristischen Staatsprüfung = RDV 5/2021

[Urteil] Zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art.  15 Abs. 1 DS-GVO = RDV 4/2021