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Interview : Halb so schlimm… : aus der RDV 5/2021, Seite 297 bis 301

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Lesezeit 5 Min.

Achim Greser und Heribert Lenz malen seit 25 Jahren Witze für Deutschland in der F.A.Z. Seit 2013 zeichnen die Karikaturisten für die Rubrik „Nachgefasst“ regelmäßig Datenschutzwitze für die RDV. Im Gespräch mit den Herausgebern Andreas Jaspers und Rolf Schwartmann berichten sie über Tiere und Menschen in der Digitalisierung.

Achim Greser, Heribert Lenz, wie kommen eure Witze zustande? Was sind gute Themen und wovon lasst ihr die Finger?

Extremthemen sind immer dankbar, vor allem wenn sie sich über längere Zeit halten. Taliban oder Corona sind so gesehen für uns gut.

Habt ihr denn keine Angst vor Extremisten, wie den Taliban? Der Anschlag auf Charlie Hebdo steckt uns doch noch in den Knochen.

Nein, vor denen haben wir keine Angst. Wir sind doch katholisch.

Euer kindfrommer Christkatholizismus ist euch Sicherheit genug? Auf den vertraut ihr ja auch angesichts der Gefahren des Internet. Das habt ihr mal gesagt. Stimmt das noch?

Vor dem Internet habt ihr uns doch erst Angst gemacht. Wir waren damals, als die GDD auf uns zukam, unschuldig, naiv und glücklich und wurden dann in den Sumpf des Datenschutzes gezogen. In die Abgründe des Bösen, des Gangsterischen.

Aber von uns geht doch nur die Sicherheit aus, die Gefahr ist doch nicht wegen der Warnung da.

Ja, wir sind euch ja auch dankbar. Früher sind wir ja immer auf die lukrativen Angebote von Erben aus Nigeria eingegangen, aber das habt ihr uns Gott sei Dank ausgetrieben.

Und Schutz gegen Hacker und Viren haben wir euch doch auch näher gebracht…

Das ist wahr. Wir haben aber auch einen fähigen Sicherheitstechniker. Dem vertrauen wir wie unserem Hausarzt. Er hat früher die IT für eine Bank in Köln abgesichert. Das ist ein sehr guter Mann. Der ist cool und hat gute Nerven.

Fast ein Jahrzehnt GDD und ein Vierteljahrhundert F.A.Z. Wer ist denn der schönere Auftraggeber?

Wir mögen die GDD, aber die F.A.Z. ist ein gottgegebener Glücksfall in unserem Leben. Wir konnten unsere satirische Grundausbildung aus der sogenannten Neuen Frankfurter Schule und unser Schaffen in die bürgerliche Welt einer überregionalen Zeitung übertragen. Wir haben unser festes Auskommen und einen Resonanzboden, der uns ein großes Publikum erschließt.

Stimmt, ihr seid ein fester Bestandteil der publizistischen Landschaft. Welches Feedback bekommt ihr zu euren Witzen?

Dadurch dass wir alle sozialen Netzwerke konsequent meiden, keines. Außer den Leserbriefen, die die F.A.Z. gelegentlich abdruckt. Wir hören aus dem Gespräch mit Redakteuren, dass wir etwa die Hälfte der Leser mit unseren Witzen erreichen, der Rest ist witzeresistent.

Es ist euer Beruf und euer Grundrecht, hart an Grenzen zu gehen. Euer Buch „Schlimm“ ist voller Beispiele dafür. Harald Schmidt hat kürzlich gesagt, er könne ohne „Zigeunerschnitzel“ leben, aber nicht ohne „Zigeunerbaron“ und manchmal höre er heimlich die „Gipsy Kings“. Witze zu reglementieren sei oft Berufsverbot. Wie steht ihr zu diesen Fragen der „Political Correctness“ und zum Gendern?Ist das „schlimm“ oder ein Segen?

Unsere Mütter hatten beide im Witwenstand Neger als Liebhaber, weshalb wir uns nicht zu diesen Fragen äußern dürfen.

Verlassen wir das ernste Thema der Witze über schlimme Dinge. Ihr illustriert rechtliche Themen mit Tierbildern. Wie kamt ihr darauf?

Wir haben das vor vielen Jahren Reinhard Müller, dem verantwortlichen Redakteur für die 14-tägig erscheinende Seite „Staat und Recht“ in der F.A.Z., so angeboten. Rechtsfragen in der Welt von Lebewesen darzustellen, bei denen nur das Gesetz des Stärkeren zählt, die im Gegensatz zu unserer Spezies über kein um Gerechtigkeit bemühtes Regelwerk verfügen. Vor allem macht es aber großen Spaß, Tiere zu malen.

…und Tiere sind unschuldig.Im Recht geht es oft um Schuld.So stellt Ihr Schuld durch Unschuld dar.

Mag sein.

Der Interpretationsspielraum ist allerdings groß. Sowas kann man Kunst nennen.

Das klingt gut.

Wie kommt ihr auf einen Specht, der auf ein Handy hackt, wenn es um die Gefahren von Facebook geht?

Welches Tier kann aggressiv auf ein Handy hacken? Der Specht. Er hat die natürliche körperliche Ausstattung dafür. Natürlich spielen wir grundsätzlich auch mit den aus Fabeln und Märchen überlieferten Klischees über Tiere, um so abstrakte Angelegenheiten wie Demokratie- oder Minderheitenprobleme ins Bild zu setzen. Oder wir stellen Begegnungen oder Konfrontation nach oder erfinden neue.

Welches Tier bekommt der Datenschutz?

Ein Polizeitier, das aufpasst. Also einen Schäferhund zum Beispiel. Die Sicherheit bekommt eine Wanze. Und Du (Schwartmann) bist ein Waschbär.

Das ist ja schlimm. Ich dachte bisher das süße klauende Bärchen aus den USA, das sich nun in Europa breit macht, wäre Mark Zuckerberg.

Was habt ihr nach 10 Jahren GDD am Datenschutz hassen und lieben gelernt?

Unsere Haltung ist Laissez-faire. Nach dem Motto: „Was soll schon sein?“ Wir wollen keine Hysterie oder Panik. Uns erinnert Datenschutz an Kindererziehung – und Hacker gehören geohrfeigt.

Aber die Entwicklung in China ist doch ein Problem. Die Chinesen lassen viel mit sich machen. Das wollen wir doch nicht im freiheitlichen Staat?

Das stimmt. Das passt nicht zur Freiheit. Aber wir gehören bei der Digitalisierung zu den Alten und Analogen, die vieles bestaunen und auch manches nutzen, aber lange nicht alles verstehen.

Aber was ist mit der Jugend?

Lenz: Der Umgang der nachwachsenden Generation mit dem Internet ist schon sehr naiv. Die bereitwillige Preisgabe von persönlichen Daten macht eine Überwachung des Privatlebens leicht.

Greser: In der neuen Welt werden Urerfahrungen im menschlichen Zusammenleben weniger. Videokonferenzen ersetzen Wirtshäuser. Das ist ein kultureller Umbruch. Wir haben noch zwischenmenschliches Vorwissen aus der körperlichen Welt. Es wächst aber ein neuer Menschentypus heran, der digitale Erfahrungen macht, die die menschlichen ersetzen.

Ist die Digitalisierung schlimm?

Es kommt auf das Maß an. So stand es schon über dem Orakel von Delphi. Alles in Maßen. Wenn wir uns auf neuen Wegen auf manches Alte besinnen, kann es vielleicht gut gehen.

Ist sie witzig?

Wir tun was wir können. Dann ist sie nur halb so schlimm.

Vielen Dank für das Gespräch.