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Urteil : Zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs der DS‑GVO bei Geltendmachung zum Beweis von Mobbing : aus der RDV 5/2023 Seite 330 bis 334

(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2023 – 5 Sa 1046/22 –)

Rechtsprechung
Lesezeit 18 Min.
  1. Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie können auch dann auf Art.  15 DS‑GVO gestützt werden können, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 S. 1 zur DS‑GVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher – ausschließlich oder ganz überwiegend – andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen ist das Begehren nicht rechtsmissbräuchlich und offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 S. 2 DS‑GVO.
  2. Nach § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 29 Abs. 1 S. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Art.  15 DS‑GVO nicht, so‑ weit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Dies können auch Interessen sein, Informationen Beschäftigter gegenüber dem Arbeitgeber zum Zweck der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens geheim zu halten.
  3. Zwischen den Interessen des Auskunftsberechtigten und berechtigten Geheimhaltungsinteressen ist eine Abwägung vorzunehmen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall die Verweigerung der begehrten Auskunft über die Person des Hinweisgebers rechtfertigen sollen, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der auf Auskunft in Anspruch genommene Verantwortliche, vorliegend der Arbeitgeber.
  4. Der Arbeitgeber hat deshalb vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen tangiert werden. Zu dieser Darlegung müssen nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das über‑ wiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll.
  5. Zu Ansprüchen auf Schmerzensgeld wegen behaupteten Mobbings (im vorliegenden Einzelfall verneint).

Aus den Gründen:

bb) Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO sind erfüllt. […] Die Zurverfügungstellung teilweise geschwärzter Kopien erfüllt diesen Anspruch nicht, weil damit ein bestimmter Teil personenbezogener Daten nicht in Kopie zur Verfügung steht. Die Beklagte behauptet nicht, Teile der Protokolle geschwärzt zu haben, die keinerlei Informationen über den Kläger enthalten. Vielmehr hat sie aufgrund einer Vertraulichkeitszusage alle Antworten der befragten Beschäftigten und zudem im Einzelfall auch bestimmte Fragen geschwärzt, die Informationen über Verhaltensweisen des Klägers enthalten.

cc) Der Anspruch auf Zurverfügungstellung ungeschwärzter Kopien der Gesprächsprotokolle ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger sie erklärtermaßen benötigt, um Mobbing der Beklagten beweisen zu können und darin ein rechtsmissbräuchliches Begehren zu sehen wäre.

(1) Es wird vertreten, dass Anträge auf Auskunft und Erteilung einer Datenkopie nicht auf Art.  15 DS-GVO gestützt werden können, wenn sie nicht dem in Erwägungsgrund 63 S. 1 zur DS-GVO genannten Zweck dienen, sich der Verarbeitung der personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, und denen daher – ausschließlich oder ganz überwiegend – andere als datenschutzrechtliche Belange zugrunde liegen. In solchen Fällen sei das Begehren rechtsmissbräuchlich und könne als offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs.  5 S.  2 DS-GVO zurückgewiesen werden (vergleiche die in BGH, EuGH-Vorlage v. 29.03.2022 – VI ZR 1352/20 -, Rn. 15 angeführten Zitate). Dem ist nicht zu folgen. Art. 15 DS-GVO macht seinem Wortlaut nach das Bestehen der dort geregelten Rechte und Pflichten nicht von einer dem oben genannten Schutzzweck entsprechenden Motivation des Betroffenen abhängig und verlangt von dem Betroffenen nicht, sein Begehren auf Erteilung von Auskunft und Kopie zu begründen. Dies deutet darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber es grundsätzlich dem freien Willen des Betroffenen überlassen wollte, ob und aus welchen Gründen er seine Rechte aus Art.  15.

DS-GVO einfordert. Dafür spricht auch, dass die betroffene Person sich durch die Erteilung von Auskunft und Kopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO der Datenverarbeitung auch dann bewusst werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann, wenn sie diese aus anderen Gründen verlangt hat, der Zweck der Vorschrift also letztlich unabhängig von der Motivation des Betroffenen erreicht werden kann (BGH am angegebenen Ort, Rn. 18).

(2) Weil das Motiv dafür, die Ansprüche nach Art. 15 DS-GVO zu erheben, unerheblich ist, kann auch dahinstehen, ob die vom Kläger angegebene Motivation, Beweismittel für Mobbing der Beklagten zu erhalten, glaubhaft erscheinen kann, wenn der Kläger gleichzeitig Ansprüche wegen behaupteten Mobbings geltend macht, ohne die Zurverfügungstellung der ungeschwärzten Kopien der Gesprächsprotokolle abzuwarten.

dd) Der Anspruch auf Zurverfügungstellung ungeschwärzter Kopien der Gesprächsprotokolle ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie Informationen enthalten, die ihrem Wesen nach oder aufgrund berechtigter Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen.

(1) Nach §  34 Abs.  1 in Verbindung mit §  29 Abs.  1 S.  2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) besteht das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gemäß Art.  15 DS-GVO nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. „Dritter“ kann gemäß Art. 4 Nr. 10 DS-GVO, deren Begriffsbestimmungen auch für das BDSG gelten, nicht die betroffene Person oder der Verantwortliche sein. Regelungen in § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 und Abs. 2 BDSG beruhen auf der Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i) DS-GVO, wonach Informations- und Benachrichtigungspflichten des Verantwortlichen beziehungsweise das Auskunftsrecht betroffener Personen beschränkt werden können zum Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20. Dezember 2018 – 17 Sa 11/18 –, Rn. 205). Zudem wird das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 4 DS-GVO durch Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt.

(2) Zwischen den Interessen des Auskunftsberechtigten und berechtigten Geheimhaltungsinteressen ist eine Abwägung vorzunehmen. Dabei sind zugunsten des Auskunftsberechtigten Bedeutung, Gewicht und Zweck des Auskunftsrechts über die Herkunft der Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 Buchst. g) DS-GVO einzubeziehen. Das Recht jeder Person, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken, ist in Art. 8 Abs. 2 S. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Rahmen des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten verbürgt. Zugunsten des Dritten ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass auch dessen Rechte durch Art. 7 Abs. 1 (Achtung des Privatlebens) und Art. 8 (Recht auf Schutz personenbezogener Daten) der Charta verbürgt sind (BGH, Urt. v. 22. Februar 2022 – VI ZR 14/21 -, Rn. 24).

(3) Es kann ein legitimes Interesse Dritter an der Geheimhaltung einer Informationsquelle darstellen, wenn der Arbeitgeber ihnen zum Zwecke der Aufklärung innerbetrieblichen Fehlverhaltens Hinweisgebern Anonymität zusichert. Bestimmte Arten von Regelverstößen innerhalb einer hierarchischen Struktur können effektiver durch anonyme Meldeverfahren aufgedeckt werden. Allerdings sind auch bei einem im Grundsatz – aus Gründen des Informantenschutzes – anerkennenswerten Geheimhaltungsinteresse Konstellationen denkbar, in denen das Geheimhaltungsinteresse hinter dem Auskunftsinteresse des Arbeitnehmers zurückzutreten hat. Dies kann Fälle betreffen, in welchen etwa ein Informant wider besseres Wissen oder leichtfertig dem Arbeitgeber unrichtige Informationen gegeben hat. In einem solchen Fall dürfte das Auskunftsinteresse des Betroffenen wegen eines dann erhöhten Schutzbedürfnisses ein überwiegendes Gewicht haben (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 -, Rn. 207). Ob es abgesehen von diesen Fällen auf die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit der vom Hinweisgeber mitgeteilten Daten ankommt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH, Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 14/21 –, Rn. 26). Ob dabei ferner auch auf ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers abgestellt werden kann, weil er als Verantwortlicher zwar nicht „Dritter“ im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BDSG ist, jedoch vom ersten Halbsatz dieser Vorschrift erfasst wird, der auch für „andere Personen“ im Sinne der Ermächtigungsnorm des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i) DS-GVO gelten könnte, zu denen auch der Verantwortliche gehören soll (so Kühling/Buchner/Bäcker, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art.  23 Rn. 32), kann hier dahinstehen, weil die Beklagte auch bei diesem Verständnis des § 29 Abs. 1 S.  2 BDSG eigene berechtigte Geheimhaltungsinteressen sowie solche der betroffenen Beschäftigten nicht dargelegt hat.

(a) Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall die Verweigerung der begehrten Auskunft über die Person des Hinweisgebers rechtfertigen sollen, trägt nach allgemeinen Grundsätzen der auf Auskunft in Anspruch genommene Verantwortliche. Dieser darf sich dabei nicht auf bloße Vermutungen stützten, sondern hat die konkreten Tatsachen zu benennen, die das überwiegende Interesse des Hinweisgebers an seiner Geheimhaltung begründen sollen (BGH, Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 14/21 –, Rn. 28). Es bedarf der Nennung eines konkreten Sachverhaltes, anhand dessen geprüft werden kann, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden würde. Der Verantwortliche hat vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen Dritter tangiert werden. Zu dieser Darlegung müssen nicht schon die personenbezogenen Daten als solche preisgegeben werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist es, darzulegen, auf welche genauen Informationen (Sachverhalt/Vorfall/Thema in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung nebst handelnden Personen) sich das überwiegende berechtigte Interesse an einer Geheimhaltung beziehen soll. Nur dann ist die notwendige Einzelfallabwägung möglich (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18 –, Rn. 209). Insbesondere muss der Sachvortrag die Prüfung ermöglichen, ob wider besseren Wissens oder leichtfertig unwahre Informationen gegeben wurden. In Fällen der vorliegenden Art müsste das Auskunftsinteresse der betroffenen Person jedenfalls dann Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse der hinweisgebenden Personen erhalten, wenn es dem Verantwortlichen bekannt oder erkennbar war, dass ihm gegebene Informationen unwahr sind.

(b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht. Sie trägt nichts zu Sachverhalten oder Vorfällen in zeitlicher und örtlicher Eingrenzung vor, auf welche sich die von ihr geschwärzten Passagen der Gesprächsprotokolle beziehen. Sie macht lediglich allgemein geltend, es habe ein mangelhaftes Führungsverhalten des Klägers gegeben, die Geheimhaltung habe sie den Beschäftigten des Teams des Klägers versprechen müssen, um eine effektive Sachverhaltsaufklärung betreiben zu können. Schon den Vorwurf mangelhaften Führungsverhaltens macht die Beklagte aber nicht an näher beschriebenen Sachverhalten fest. Dass zudem auch Vorwürfe der sexuellen Belästigung im Raum standen, folgt daraus, dass Vorgesetzte des Klägers diesem gegenüber später erklärten, derartige Vorwürfe seien „vom Tisch“. Die Fragen, die dem Kläger in dem ihm zugegangenen Fragebogen gestellt wurden, sprechen ebenfalls dafür, dass derartige Vorwürfe erhoben wurden. Dass später gesagt wurde, derartige Vorwürfe seien „vom Tisch“, lässt die Möglichkeit offen, dass sie sich als wissentlich oder leichtfertig unwahr aufgestellt erwiesen haben. Der Sachvortrag der Beklagten schließt dies nicht aus. In einem solchen Falle müsste die Beklagte entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts jedoch Kopien der hierauf bezogenen Fragen und Antworten aus den Gesprächsprotokollen in lesbarer Fassung zur Verfügung stellen. Ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten oder Dritter stünde dem nicht entgegen.

4) Die Kammer hat davon abgesehen, der Beklagten unter Hinweis auf die vorgenannten rechtlichen Gesichtspunkte Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Diese Gesichtspunkte sind von der Beklagten nicht erkennbar übersehen worden. Die Beklagte selbst hat auf die vorgehend zitierte Entscheidung des Landesarbeitsgerichts BadenWürttemberg Bezug genommen, aus der sich die auch hier zugrunde gelegten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast im Falle des Informantenschutzes ergeben.

2. Den vom Berufungsantrag zu 3. umfassten Klageantrag hat das Arbeitsgericht zu Recht für unbegründet gehalten. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen „Mobbings“ in Höhe von mindestens 20.000,– Euro zu.

a) Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen „Mobbings“ kann als vertraglicher Anspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB in Betracht kommen. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger in dem Fall, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerin Rücksicht zu nehmen, sie vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen und sie keinem Verhalten auszusetzen, das bezweckt oder bewirkt, dass ihre Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmerin verpflichtet. Der Arbeitgeber haftet der geschädigten Arbeitnehmerin gegenüber gemäß § 278 S. 1 BGB auch für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter oder Vorgesetzte begehen. Dabei ist es jedoch erforderlich, dass die schuldhafte Handlung des als Erfüllungsgehilfe des Arbeitgebers handelnden Mitarbeiters in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber ihm als Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat. Ein solcher Zusammenhang ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Erfüllungsgehilfe gegenüber der betroffenen Arbeitnehmerin die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers konkretisiert oder wenn er ihr gegenüber Weisungsbefugnis besitzt.

Ein Schadensersatzanspruch wegen „Mobbings“ kann aber auch als deliktischer Anspruch insbesondere aus § 823 Abs. 1 BGB – beziehungsweise § 831 BGB – folgen. Dabei verbietet §  823 Abs.  1 BGB nicht nur eine widerrechtliche Verletzung der in dieser Bestimmung ausdrücklich aufgeführten, besonders geschützten Rechtsgüter, unter anderem der Gesundheit. Auch das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht ist als „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Auch seine widerrechtliche Verletzung kann demnach Schadensersatzansprüche auslösen. Allerdings ist zu beachten, dass die Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wegen seiner Eigenart als Rahmenrecht nicht absolut festliegt, sondern grundsätzlich erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden muss. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist deshalb nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt.

Stützt der Arbeitnehmer – wie hier – seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn durch „Mobbing“ an seiner Gesundheit beschädigt, so kann er nach § 253 Abs.  2 BGB auch eine billige Entschädigung in Geld fordern. Stützt der Arbeitnehmer hingegen seinen Schadensersatzanspruch darauf, der Arbeitgeber habe ihn widerrechtlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, so kann er zwar ebenfalls eine billige Entschädigung in Geld fordern. Dieser Anspruch folgt aber nicht aus § 253 Abs. 2 BGB, weil das allgemeine Persönlichkeitsrecht in dieser Bestimmung nicht aufgeführt ist, sondern unmittelbar aus §  823 Abs.  1 BGB in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Da bei auf „Mobbing“ gestützten Entschädigungsklagen nicht der vermögenswerte, sondern der ideelle Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, setzt der Anspruch allerdings voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, dass die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, kann nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad seines Verschuldens zu berücksichtigen.

Nicht jede Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheit oder nicht gerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers (zum Beispiel Abmahnung, Versetzung, Kündigung) stellt eine rechtswidrige und vorwerfbare Verletzung der Rechtsgüter der Arbeitnehmerin und damit eine unerlaubte Handlung oder einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dar. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, sind nicht geeignet, derartige Tatbestände zu erfüllen, weshalb es gilt, folgenloses beziehungsweise sozial- und rechtsadäquates Verhalten aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise, das heißt ohne Rücksicht auf das subjektive Empfinden des betroffenen Arbeitnehmers, von der rechtlichen Bewertung auszunehmen. Bei der Zusammenarbeit im Rahmen von Arbeitsverhältnissen kommt es typischerweise zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, ohne dass die dabei zutage tretenden Verhaltensweisen des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten beziehungsweise Kollegen der Arbeitnehmerin zwangsläufig zu einer widerrechtlichen Beeinträchtigung der Rechtsgüter der Arbeitnehmerin führen oder einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht bedeuten. Die Grenze zum nicht rechts- beziehungsweise sozialadäquaten Verhalten ist allerdings dann überschritten, wenn Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde der Arbeitnehmerin verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es Fälle gibt, in welchen einzelne – von der Arbeitnehmerin darzulegende – Handlungen oder Verhaltensweisen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder des Arbeitgebers für sich allein betrachtet zwar noch keine Rechtsverletzungen darstellen, allerdings die Gesamtschau der einzelnen Handlungen oder Verhaltensweisen zur Annahme einer Vertrags- oder Rechtsgutsverletzung führt, weil deren Zusammenfassung aufgrund der ihnen zugrunde liegenden Systematik und Zielrichtung zu einer Beeinträchtigung eines geschützten Rechts des Arbeitnehmers führt. Dann sind alle Handlungen beziehungsweise Verhaltensweisen, die dem systematischen Prozess der Schaffung eines bestimmten Umfeldes zuzuordnen sind, in die Betrachtung mit einzubeziehen, einzelne zurückliegende Handlungen oder Verhaltensweisen dürfen bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt gelassen werden (BAG, Urt. v. 15.07.2016 – 8 AZR 351/15 –, juris, Rn.30 ff.).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger selbst dann kein Anspruch auf Schmerzensgeld aus §§  241 Abs.  2, 280 Abs.  1 S.  1, 253 Abs.  2 BGB beziehungsweise aus §§  823 Abs.  1, 253 Abs.  2 BGB wegen widerrechtlicher Verletzung seiner Gesundheit aufgrund von Handlungen der Beklagten beziehungsweise der Vorgesetzten des Klägers als ihre Erfüllungsgehilfen zu, wenn man zu seinen Gunsten unterstellt, dass er ab dem 17. Januar 2022 wegen der ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe aufgrund einer psychosomatischen Belastungssituation erkrankte. Denn die Vorgesetzten des Klägers haben bis zum 17. Januar 2022 bereits nach dem Vortrag des Klägers die arbeitgeberseitige Rücksichtnahmepflicht nicht durch Handlungen verletzt, die mit der Zielrichtung vorgenommen wurden, die Würde des Klägers zu verletzen und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld zu schaffen.

aa) Dass sie dem Kläger am 22. Dezember 2021 ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages machten, erfolgte nach Bekanntwerden der Beschwerden einer Mitarbeiterin des Teams und Kenntniserlangung von dem WhatsApp-Chatverlauf, den der Kläger vorgelegt hat. Dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die Beschwerden der Mitarbeiterin haltlos waren, hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt. Dass die Beklagte den WhatsAppChatverlauf und das dort eingestellte Urlaubsbild negativ bewertete und im Rahmen der ihr zustehenden Vertragsfreiheit ein Angebot zur Vertragsaufhebung machte, verstößt weder gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht, noch kann darin einschüchterndes Verhalten gesehen werden.

bb) Dass die Beklagte die Beschwerden gegen den Kläger und den WhatsApp-Chatverlauf sowie das dort eingestellte Urlaubsbild zum Anlass nahm, Mängel im Führungsverhalten des Klägers festzustellen und deshalb am 13. Januar 2022 eröffnete, die noch im November 2021 vorgesehene Leistungsbewertung herabzustufen, lag nicht offensichtlich außerhalb des der Beklagten zustehenden Bewertungsspielraums und stellt kein anlassloses oder schikanierendes Verhalten dar. Es ist jedenfalls nicht als unvertretbar oder gar völlig abwegig zu bezeichnen, dass es ein Arbeitgeber beanstandet, wenn ein Verkaufsleiter in privaten WhatsApp-Gruppen, die ausschließlich aus Teammitgliedern gebildet werden, von Dritten möglicherweise als anstößig empfundene Urlaubsbilder einstellt. Ob die Leistungsbewertung möglicherweise rechtlich angreifbar und gegenüber dem Kläger nicht verbindlich war, kann dahinstehen, weil nicht jede ungerechtfertigte Arbeitgebermaßnahme bereits „Mobbing“ darstellt.

cc) Dass die Beklagte im Betrieb Gerüchte über sexuelle Belästigung von Beschäftigten durch den Kläger „platzierte“, hat der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Soweit er auf die im Zeitraum ab dem 11. Januar 2022 geführten „Interviews“ mit Beschäftigten des Teams des Klägers abstellt, hat die Beklagte in diesem Zusammenhang unstreitig Geheimhaltung versprochen und verlangt, also gerade keine Gerüchte im Betrieb verbreitet. Dass die Beklagte die Interviews führte, entsprach ihrer Pflicht nach §  12 Abs.  1 AGG. Hiernach trifft den Arbeitgeber bei Vorwürfen sexueller Belästigung eine Pflicht zur Aufklärung (ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, AGG § 12 Rn. 3).

dd) Soweit der Kläger ferner auf die Ermahnung vom 15. März 2022, die befristeten Versetzungen ab dem 27. Juli 2022 und die Eröffnung einer erneuten Herabstufung in der Leistungsbewertung am 23. März 2023 abstellt, können diese Handlungen für die am 17. Januar 2022 eingetretene Erkrankung nicht ursächlich sein. Dass die während der Erkrankung zugegangene Ermahnung vom 15. März 2022 diese weiter verschlimmerte oder verlängerte, hat der Kläger nicht vorgetragen. Ein aus widerrechtlicher Verletzung der Gesundheit folgender Schmerzensgeldanspruch kann hieraus nicht abgeleitet werden.

c) Ein Anspruch auf billige Entschädigung in Geld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB ist ebenfalls nicht gegeben. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass die Beklagte beziehungsweise die Vorgesetzten des Klägers durch einzelne Handlungen oder ein auf mehreren Handlungen beruhendes Gesamtverhalten schwerwiegend in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen haben und dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann.

aa) Wie bereits ausgeführt, kann es weder als unvertretbar oder gar abwegig und einschüchternd oder schikanierend bezeichnet werden, dass die Beklagte das in die private WhatsApp-Gruppe der Teammitglieder eingestellte Urlaubsbild des Klägers beanstandete. Es ist daher auch kein schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers, wenn sie es zum Gegenstand der Ermahnung vom 15. März 2022 machte. Und auch nach Wegfall der Vorwürfe sexueller Belästigung erfolgte die befristete Versetzung ab dem 27. Juli 2022 wegen der fortbestehenden Vorbehalte der Beklagten gegen das Führungsverhalten des Klägers nicht anlasslos oder gar schikanös. Das Gleiche gilt für die erneute Herabstufung in der Leistungsbewertung, die dem Kläger am 23. März 2023 eröffnet wurde, die ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Protokolls eines Gesprächstermins vom 18. Januar 2023 auf konkreten Beanstandungen der Beklagten bezogen auf die ab Juli 2022 erbrachten Leistungen des Klägers beruhte.

bb) Auch in seiner Gesamtheit kann das Verhalten der Beklagten ab Dezember 2021 nicht als schwerwiegender Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers angesehen werden, dem allein durch Zuerkennung eines Schmerzensgeldes abgeholfen werden kann. Die Beklagte hat in Reaktion auf gegen das Verhalten des Klägers als Verkaufsleiter erhobene Beschwerden Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhaltes ergriffen und dem Kläger im Rahmen der ihr zustehenden Vertragsfreiheit die Vertragsaufhebung angeboten. Sie hat die aus ihrer Sicht nicht ausgeräumten Bedenken gegen das Führungsverhalten des Klägers zum Anlass genommen, die beabsichtigte Leistungsbewertung herabzustufen, den Kläger zu ermahnen und ihn nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit befristet mit einer anderen Arbeitsaufgabe zu betrauen, deren Ausübung sie sodann zu einer erneuten Herabstufung veranlasste. Es mag sich im jeweiligen Einzelfalle auch um rechtlich unzulässige Maßnahmen handeln. In einem solchen Falle stand oder steht dem Kläger die Möglichkeit des Rechtsschutzes zur Verfügung. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die effektiv allein durch ein Schmerzensgeld ausgeräumt werden kann, ist nicht gegeben.