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Bericht aus Brüssel : EU-KI-Regulierung geht in die nächste Runde: Die KI-Haftung : aus der RDV 5/2024, Sei­te 305

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Nach dem wir im Europäischen Parlament nun jahrelang intensiv an der Europäischen KI-Verordnung gearbeitet haben, ist die Frage der Haftung für Künstliche Intelligenz noch nicht abschließend beantwortet. Deshalb werden wir uns noch mit dem Entwurf der Kommission zur KI-Haftungsrichtlinie beschäftigen. Wer haftet für Schäden, die von Hochrisiko-KI-Systemen verursacht wurden?

Bislang existieren drei unterschiedliche Dokumente zu diesem Thema. Im Jahr 2020 habe ich dem EU-Parlament bereits einen Initiativbericht als Verordnung vorgelegt. Daraufhin hat die EU-Kommission vor zwei Jahren einen Gesetzesentwurf veröffentlicht, allerdings als Richtlinie, die nun in diesem Mandat im Gesetzgebungsverfahren weiter verhandelt werden soll. Daneben wurde bereits die neuere Produkthaftungsrichtlinie verabschiedet, die Teile einer KI-Haftung beinhaltet. Der Entwurf der Kommission wird nun vom Europäischen Parlament bis Ende September dahingehend überprüft, ob noch Regelungslücken vorhanden sind.

Man muss das Rad nicht neu erfinden

Für mich ist klar: Auch wenn die Weiterentwicklung der KI neue Komplexitäten mit sich bringt, ist eine vollständige Überarbeitung der bestehenden Haftungsregelungen nicht unbedingt immer erforderlich. Die Produkthaftungsrichtlinie, die sich mit Ansprüchen gegen Hersteller befasst, und das nationale Deliktsrecht, das Ansprüche gegen Dritte regelt, haben sich bei der Gewährleistung von Schadenersatz und Gerechtigkeit als wirksam erwiesen. Mit einigen gezielten Anpassungen können diese Regelungen auch für die meisten Fälle im Zusammenhang mit KI gelten und sicherstellen, dass Personen, die einen Schaden erleiden, angemessen entschädigt werden.

Vollharmonisierung stärkt den Binnenmarkt

Der politische Streit zwischen dem Parlament und dem Rat wird sich auf die Frage konzentrieren, ob daraus eine europäische Richtlinie oder eine europäische Verordnung wird. Im digitalen Umfeld führt nämlich das Zivilrecht (in der Kompetenz der Mitgliedstaaten) im europäischen Binnenmarkt zunehmend zur rechtlichen Fragmentierung des Binnenmarktes. Hier gilt es, das Denken des letzten Jahrhunderts zu überwinden, zumal auch die KI-Regulierung als Verordnung ergangen ist.

Wir brauchen gezielte Anpassungen des Haftungsrechts

Bestimmte einzigartige Merkmale der KI stellen durchaus neue Herausforderungen dar. Diese Eigenschaften könnten zu Situationen führen, in denen es für die Opfer fast unmöglich ist, ein Verschulden nachzuweisen, was zu potenziellen Entschädigungslücken führt. Wenn beispielsweise ein autonomes Fahrzeug aufgrund einer Entscheidung seines KI-Systems einen Unfall verursacht, könnte es dem Opfer schwerfallen, die Schuld des Betreibers nachzuweisen, insbesondere wenn der Entscheidungsprozess der KI undurchsichtig ist. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, sollte sich der Ansatz der EU auf gezielte Anpassungen des bestehenden Haftungsrahmens konzentrieren, statt auf eine umfassende Überarbeitung. Diese Anpassungen würden spezifische Bestimmungen einführen, die den einzigartigen Aspekten der Künstlichen Intelligenz Rechnung tragen und sicherstellen, dass die Opfer nicht ohne Rechtsmittel dastehen. Alle KI-Systeme sollten abgedeckt sein, insbesondere aber jene, bei denen viele unbeteiligte Dritte im öffentlichen Raum exponiert sind, die ansonsten in der Regel keine Haftungsansprüche gegen den Betreiber haben, da kein Vertrag oder Verschulden vorliegt.

Ein risikobasierter Ansatz auch bei Haftungsfragen

Ähnlich wie bei der generellen KI-Regulierung (AI Act) sollte ein risikobasierter Ansatz greifen. Aufgrund der rechtlichen Herausforderungen für den Geschädigten sollten KI-Systeme mit hohem Risiko unter eine verschuldensunabhängige Haftungsregelung fallen, während alle anderen KI-Systeme weiterhin einer verschuldensabhängigen Haftung unterliegen. Daher sollten Betreiber eines KI-Systems mit hohem Risiko auch eine obligatorische Haftpflichtversicherung abschließen. Indem sie zwischen verschiedenen Risikostufen unterscheidet, kann die EU einen Rechtsrahmen schaffen, der sowohl flexibel als auch effektiv ist und sicherstellt, dass KI-Innovationen nicht abgewürgt werden, während gleichzeitig die Rechte des Einzelnen geschützt werden.

Schlussfolgerung: eine KI-Haftungsverordnung, die sich anpasst

Ein Regelwerk für Haftungsfragen der Künstlichen Intelligenz sollte sich auf gezielte Anpassungen des bestehenden Haftungsrahmens konzentrieren und nicht auf eine vollständige Überarbeitung. Die Produkthaftungsrichtlinie und das nationale Deliktsrecht haben sich bei der Entschädigung von Opfern technologischer Schäden bewährt und können dies auch weiterhin für die meisten KI-bezogenen Vorfälle tun. Angesichts der einzigartigen Herausforderungen, die KI mit sich bringt, sind jedoch besondere Bestimmungen erforderlich, um sicherzustellen, dass die Opfer nicht ohne Entschädigung dastehen. Indem sie sich auf den öffentlichen Raum und risikoreiche KI-Systeme konzentriert, kann die EU eine ausgewogene und wirksame Haftungsregelung schaffen, die den Einzelnen schützt und gleichzeitig die KI-Innovation fördert. Wichtig ist, dass solche Regeln den Binnenmarkt nicht noch weiter spalten, sondern in allen Mitgliedstaaten gleich umgesetzt werden. Deshalb brauchen wir eine Verordnung statt einer Richtlinie.