Urteil : Nicht mitbestimmte Einrichtung eines Outlook- Gruppenkalenders : aus der RDV 6/2017, Seite 310 bis 311
(Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 21. Februar 2017 – 7 Sa 441/16 –)
Hat der Arbeitgeber vor der Einrichtung des Gruppenkalenders in Outlook den Betriebsrat nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beteiligt, ist eine Weisung, den Gruppenkalender zu benutzen, unwirksam. Eine entsprechende Abmahnung ist aus der Personalakte zu entfernen.
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung.
Im November 2015 wurde von der Beklagten in der Funktionsmailbox bmt@a… ein Gruppenkalender „Tram“ eingerichtet. Auf den Gruppenkalender haben neben dem Kläger noch drei weitere Personen Zugriff, auch Vorgesetzte.
Am 24.11.2015 wurde der Kläger von seinem Gruppenleiter, Herrn S…, angewiesen, den Gruppenkalender „Tram“ für die Verwaltung der betrieblichen Termine benutzen. Der Kläger lehnt dies ab.
Die Beklagte führte in einem Schreiben vom 04.12.2015 an den Kläger aus, er widersetze sich der Aufforderung, geschä ftliche Termine in den Funktionskalender „Tram“ einzutragen. Sie wies den Kläger darauf hin, dass er verpflichtet sei, den Weisungen seiner Führungskraft nachzukommen. Für den Fall eines weiteren vergleichbaren Vorfalles kündigte sie weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung an.
Der Kläger erhob am 24.02.2016 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg, mit der er die Rücknahme der Abmahnung und ihre Entfernung aus der Personalakte verlangt.
Mit Endurteil vom 26.08.2016 gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, der Kläger sei nicht verpflichtet gewesen, der Weisung, den Gruppenkalender zu benutzen, nachzukommen, da die Einrichtung des Gruppenkalenders ohne die erforderliche Beteiligung des Betriebsrats erfolgt sei.
Aus den Gründen:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger kann insbesondere die Herausnahme der ihm erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Hinsichtlich der hierzu bestehenden ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt das erkennende Gericht den zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, § 69 Absatz 2 ArbGG.
Die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht eine Abmahnung erteilt.
Die Beklagte ist zwar grundsätzlich im Rahmen des ihr zustehenden Direktionsrechts (§ 106 GewO) berechtigt, dem Kläger die Anweisung zu erteilen, den bei ihr eingerichteten Gruppenkalender zu benutzen. Es handelt sich dabei um eine Anordnung, die die Art und Weise betrifft, wie der Kläger die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung gestaltet. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers bezieht sich insbesondere auch darauf, dass die Arbeitnehmer technische Einrichtungen, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, verwenden.
Die Beklagte war indes bei der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht völlig frei. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat. Dieser wäre gemäß § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen gewesen.
Der Gruppenkalender stellt eine technische Einrichtung im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG dar.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, stellt Computersoftware in Verbindung mit dem Rechner, der mit ihr betrieben wird, eine technische Einrichtung iSd. § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG dar. Dabei ist es unerheblich, ob der verwendete Rechner bereits vor der Anschaffung der im Streit befindlichen Software im Betrieb vorhanden war und in anderer Weise genutzt wurde. Erst die entsprechende Software ermöglicht die Nutzung einer EDV-Anlage zu einem bestimmten Zweck (Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 26.07.1994 – 1 ABR 6/94; juris).
Der Gruppenkalender ist zur Überwachung der Benutzer „bestimmt“.
Nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat u.a. mitzubestimmen bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Überwachung im Sinne der genannten Vorschrift ist ein Vorgang, durch den Informationen über das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers erhoben und – jedenfalls in der Regel – aufgezeichnet werden, um sie auch späterer Wahrnehmung zugänglich zu machen. Die Informationen müssen auf technische Weise ermittelt und dokumentiert werden, so dass sie zumindest für eine gewisse Dauer verfügbar bleiben und vom Arbeitgeber herangezogen werden können. Die Überwachung muss aber durch die technische Einrichtung selbst bewirkt werden. Dazu muss diese aufgrund ihrer technischen Natur unmittelbar, d.h. wenigstens in ihrem Kern die Überwachung vornehmen, indem sie das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer kontrolliert. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG setzt daher voraus, dass die technische Einrichtung selbst und automatisch die Daten über bestimmte Vorgänge verarbeitet. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer technischen Einrichtung erfolgt. Zur Überwachung „bestimmt“ sind technische Einrichtungen dann, wenn sie objektiv geeignet sind, Verhaltens- oder Leistungsinformationen der Arbeitnehmer zu erheben und aufzuzeichnen; auf die subjektive Überwachungsabsicht des Arbeitgebers kommt es nicht an (Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 10.12.2013 – 1 ABR 43/12; juris).
Der Gruppenkalender ermöglicht es der Beklagten, eine Auswertung der Leistungen des Klägers im Hinblick auf die Koordination seiner Termine oder der Terminsdichte vorzunehmen. Insbesondere ist ihr dies möglich, ohne dass der Kläger hiervon Kenntnis erhält.
Der Betriebsrat ist vor der Einrichtung des Gruppenkalenders nicht beteiligt worden.
Die fehlende Beteiligung des Betriebsrats führt zur Unwirksamkeit der Abmahnung. Abgemahnt werden können nur Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Da der Betriebsrat bei der Einführung des Gruppenkalenders nicht beteiligt wurde, war der Kläger berechtigt, der Anordnung der Beklagten, den Gruppenkalender zu nutzen, nicht Folge zu leisten.
Nach der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit von Maßnahmen oder Rechtsgeschäften, die den Arbeitnehmer belasten. Das soll verhindern, dass der Arbeitgeber dem Einigungszwang mit dem Betriebsrat durch Rückgriff auf arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten ausweicht. Dem Arbeitgeber darf aus einer betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtwidrigkeit auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kein Vorteil erwachsen (Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 23.02.2016 – 1 AZR 73/14; juris).
Da die Abmahnung daher unberechtigt war, ist sie aus der Personalakte zu entfernen.