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Urteil : Abberufung eines Beauftragten für Datenschutz – Vereinbarkeit der Vorschriften des BDSG mit denen der EU-DS-GVO – Vorlage an den EuGH : aus der RDV 3/2021, Seite 161 bis 162

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. April 2021 – 9 AZR 383/19 (A) –)

Rechtsprechung
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Zur Klärung der Frage, ob die Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten im Einklang mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) stehen, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichtet.

Sachverhalt:

Der Kläger ist der von der Arbeit teilweise freigestellte Vorsitzende des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Mit Wirkung zum 1. Juni 2015 wurde er zusätzlich zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten und – parallel dazu – drei weiterer Konzernunternehmen bestellt. Die Beklagte berief den Kläger (ebenso wie die drei weiteren Konzernunternehmen) mit Schreiben vom 1. Dezember 2017 und – nach Inkrafttreten der DS-GVO – mit weiterem Schreiben vom 25. Mai 2018 als Datenschutzbeauftragten ab. Mit seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, seine Rechtsstellung als Datenschutzbeauftragter bestehe unverändert fort. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es drohten Interessenkonflikte, wenn der Kläger zugleich Datenschutzbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender sei. Dies führe zu einer Unvereinbarkeit beider Ämter, die einen wichtigen Grund zur Abberufung des Klägers darstelle. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.

Anfragen:

Für die Entscheidung, ob die Beklagte den Kläger wirksam von seinem Amt als betrieblicher Datenschutzbeauftragter abberufen hat, kommt es auf die Auslegung von Unionsrecht an, die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist. Das nationale Datenschutzrecht regelt in § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG, dass für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB vorliegen muss. Damit knüpft es die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten an strengere Voraussetzungen als das Unionsrecht, nach dessen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO die Abberufung lediglich dann nicht gestattet ist, wenn sie wegen der Aufgabenerfüllung des Datenschutzbeauftragten vorgenommen wird. Einen wichtigen Grund zur Abberufung verlangt das europäische Recht nicht.

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hält unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung vorliegend keinen wichtigen Abberufungsgrund für gegeben. Deshalb wendet er sich nach Art. 267 AEUV mit der Frage an den Gerichtshof, ob neben der Regelung in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO mitgliedstaatliche Normen anwendbar sind, die – wie § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG – die Möglichkeit der Abberufung eines Datenschutzbeauftragten gegenüber den unionsrechtlichen Regelungen einschränken.

Sollte der Gerichtshof die Anforderungen des BDSG an eine Abberufung für unionsrechtskonform erachten, hält der Senat es zudem für klärungsbedürftig, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb in Personalunion ausgeübt werden dürfen oder ob dies zu einem Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DS-GVO führt.

(BAG-Pressemittelung vom 27.04.2021)

Der Senat hat mit weiterem Beschluss vom 27. April 2021 den Gerichtshof in der Sache – 9 AZR 621/19 (A) – mit teilweise gleichgelagerten Fragen um Vorabentscheidung ersucht.