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Literaturhinweis : Buchbesprechung : aus der RDV 5/2024, Sei­te 306 bis 307

Lesezeit 6 Min.

Martini/Möslein/Rostalski, Recht der Digitalisierung, Nomos, Baden-Baden, 2024, ISBN: 978-3-8487-8092-1

Hofmann/Raue (Hrsg.), Digital Services Act. Gesetz über digitale Dienste, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2023, ISBN: 978-3-8487-7882-9

Riehm/Dörr (Hrsg.), Digitalisierung und Zivilverfahren, Verlag De Gruyter, Berlin/Boston, 2023, ISBN: 978-3-1107-5574-9

Chibanguza/Kuß/Steege (Hrsg.), Künstliche Intelligenz. Recht und Praxis automatisierter und autonomer Systeme, Nomos Verlag, Baden-Baden, 2022, ISBN: 978-3-8487-7161-5

Fabarius, ChatGPT in der Unternehmenspraxis. Anwendungsbeispiele für Risikomanagement, Controlling und Compliance, Erich Schmidt Verlag, Berlin, 2023, ISBN: 978-3-503-23697-8

Mit dem Datenrecht entwickelt sich derzeit ein neues Rechtsgebiet. Dabei tritt neben das Datenschutzrecht das wachsende Teilrechtsgebiet des Datenwirtschaftsrechts. Auch das Recht der datenverarbeitenden Technologien der Digitalwirtschaft und der Künstlichen Intelligenz (KI) nimmt langsam Form an. Dieses wurde in den vergangenen beiden Jahren in zahlreichen Publikationen näher beleuchtet. Eine besonders lesens- oder zumindest bemerkenswerte Auswahl soll hier vorgestellt werden.

Mit ihrem Lehrbuch zum Recht der Digitalisierung haben Mario Martini, Florian Möslein und Frauke Rostalski in diesem Jahr ein Werk veröffentlicht, das sich hervorragend dazu eignet, einen Einstieg in die Thematik zu finden und ein Gefühl für die zentralen Fragen und Herausforderungen der Digitalisierung zu entwickeln. Das erlesene Autorenteam teilt die betroffenen Rechtsgebiete entsprechend seiner Forschungsschwerpunkte untereinander auf: Martini betrachtet die Digitalisierung aus der Perspektive des öffentlichen Rechts und legt dabei einen Fokus auf die Digitalisierung von Verwaltung und Verwaltungsjustiz. Möslein bringt privatrechtliche Aspekte ein. Besonders studien- und praxisrelevant sind seine Ausführungen zum digitalen Schuldrecht, insbesondere zu den Verträgen über digitale Produkte. Rostalski rundet die Ausführungen schließlich mit einer Betrachtung strafrechtlicher Fragestellungen ab, wobei sie neben den Herausforderungen der Digitalisierung für das materielle Strafrecht auch den Einfluss auf das Strafverfahren skizziert. Erwähnenswert ist der kompakte Abschluss des Lehrbuchs mit einem Überblick zu einigen neuen und künftigen Rechtsakten der Europäischen Union. Durch Wiederholungs- und Vertiefungsfragen am Ende jedes Kapitels und zahlreiche Fallbeispiele eignet sich das Buch nicht nur für Praktiker, sondern auch für Studierende, die sich etwa im Rahmen ihres Schwerpunktstudiums mit dem Recht der Digitalisierung auseinandersetzen. Das Lehrbuch verdeutlicht die wachsende Bedeutung, die der Digitalisierung im Recht zukommt und zeigt zugleich die Vielzahl an Fragen auf, die in diesem Kontext weiter unbeantwortet sind.

All jenen, die sich mit den offenen Fragen der europäischen Regulierung digitaler Dienste vertieft beschäftigen wollen, sei der Kommentar zum Digital Services Act, herausgegeben von Franz Hofmann und Benjamin Raue, ans Herz gelegt. Wie einige der neuen europäischen Gesetze krankt auch der Digital Services Act an zahlreichen sprachlichen Schwächen, die insbesondere bei der deutschen Übersetzung zutage treten. Das Autorenteam hat sich dieser besonderen Herausforderung bei der Kommentierung europäischer Gesetze angenommen und die englische sowie die französische Sprachfassung der Verordnung konsequent berücksichtigt. Für den Einstieg lesenswert ist die Einleitung des Kommentars, in der die Herausgeber auf etwas mehr als 15 Seiten die wichtigsten Aspekte des Rechtsakts und seinen Platz in der bestehenden Rechtsordnung erläutern. In einer zweiten Auflage wäre für Wissenschaft und Praxis eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Digital Services Act und der mittlerweile in Kraft getretenen KI-VO sicherlich hilfreich.

Einen besonderen Fokus auf die Digitalisierung der Ziviljustiz legen die Herausgeber Thomas Riehm und Sina Dörr in ihrem Handbuch zu Digitalisierung und Zivilverfahren. Die Ziviljustiz ist angesichts sinkender Fallzahlen und aufgrund von Massenverfahren sowie Personalmangel zugleich steigender Arbeitslast dringend auf informationstechnische Lösungen angewiesen. Daneben können digitale Anwendungen den Bürgern den Zugang zum Recht erleichtern. Die praxisnahe Betrachtung im vorliegenden Handbuch kommt da gerade recht: Es werden Einsatzszenarien für diverse digitale Anwendungen vorgestellt und deren Praktikabilität diskutiert. Die Vereinbarkeit der Ansätze mit Europa- und Verfassungsrecht mag für den ein oder anderen Leser bisweilen etwas zu kurz kommen. Angesichts der zahlreichen offenen Fragen und des erklärten Schwerpunkts der praktischen Möglichkeiten einer Digitalisierung des Zivilverfahrens ist dies aber entschuldbar. Insgesamt handelt es sich um einen hervorragenden praxisnahen Überblick, der die berechtigten Digitalisierungsbestrebungen in der Justiz voranbringen dürfte.

Eine weitere datenverarbeitende Technologie, der in der jüngeren Vergangenheit besonders viel Aufmerksamkeit zuteilwurde, ist die Künstliche Intelligenz. Dieser widmen sich die Herausgeber Kuuya Chibanguza, Christian Kuß und Hans Steege gemeinsam mit einer Vielzahl renommierter und praxiserfahrener Autoren in ihrem Handbuch Künstliche Intelligenz. Die umfassenden Wirkungen, die KI auf Staat und Gesellschaft hat, werden in dem Werk durch eine praxisorientierte Branchendarstellung nachvollzogen. Allgemeine Grundlagen betreffend Ethik, Politik, Psychologie und Recht sind in einem allgemeinen Teil vorangestellt. Bei der Lektüre des Werkes lohnt sich auch ein Blick in Kapitel, zu denen der Leser im ersten Zugriff keinen Bezug zu haben scheint. Vielfach werden unter branchenspezifischen Überschriften wichtige allgemeine Erkenntnisse zum Einsatz Künstlicher Intelligenz geteilt, wie beispielsweise in den Ausführungen von Christian Pek und Jennifer Krückeberg zur algorithmenbasierten Diskriminierung im Rahmen von Arbeitsverhältnissen. Den Herausgebern ist es gelungen, bereits einige Zeit vor der europäischen Einigung auf den Erlass der KI-VO ein Werk zu veröffentlichen, das wichtige Fragen des Rechts der Künstlichen Intelligenz adressiert. Das Handbuch ist zudem durch Inkrafttreten der KI-VO keinesfalls überholt. Vielmehr tritt es ebenso wie das gesamte sonstige Recht neben diese. In kommenden Auflagen wird das neue Gesetz aber sicherlich verstärkt berücksichtigt werden.

Die weiterhin zu beobachtende Begeisterung für KI nahm ihren Anfang im Winter 2022/2023, als der Chatbot ChatGPT die Welt im Sturm eroberte. Dass hinter der Anwendung ein enormes Potenzial steckt, war vielen Beobachtern früh klar. Wolfhart Fabarius hat es sich in seinem Buch ChatGPT in der Unternehmenspraxis zum Ziel gesetzt, darzustellen, wie Unternehmen dieses Potenzial nutzbar machen können. Das Buch ist als Dialog zwischen Fabarius und Chatbot gestaltet, der nach Aussage des Autors die Stärken und Schwächen des KI-Systems zeigen soll. Ebenso wie beim Einsatz von ChatGPT ist aber auch bei der Lektüre des Werkes Vorsicht geboten: Fabarius lässt die Antworten des Chatbots bisweilen unkommentiert, sodass für den Laien nicht immer klar sein dürfte, ob die ausgegebene Antwort nun auf Stärken oder Schwächen des Systems hinweist. Hinzu kommt, dass der Dialog aus der Frühzeit ChatGPTs stammt, sodass er bereits jetzt eher eine unterhaltsame Erinnerung darstellt als eine Praxishilfe für aktuelle Herausforderungen. Allgemeingültig und lesenswert ist dagegen das Fazit des Werks. Darin schreibt der Autor auf knapp zehn Seiten über seine Erfahrungen mit der intensiven Nutzung des Chatbots und über aktuelle sowie anstehende Entwicklungen des Einsatzes von KI-Systemen in der Wirtschaft. Für die Praxis ist zudem das umfassende Glossar hilfreich, in dem die wichtigsten Begriffe der KI erläutert werden.

Die besprochenen Werke leisten alle auf ihre Weise einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Datenrechts, konkret des Rechts der datenverarbeitenden Technologien. Man mag von der Welle der Begeisterung, die ChatGPT und die KI-VO ausgelöst haben, halten, was man will. Sie hat zumindest dafür gesorgt, dass die seit langem überfällige Ergänzung des Datenschutzrechts um das Recht der Daten- und Digitalwirtschaft sowie der Künstlichen Intelligenz zu einem umfassenden Recht der Daten vorangetrieben wird.