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Urteil : Verbot der Nutzung von User-Fotos für Mahnungen durch eine Online- Dating-Plattform : aus der RDV 6/2023, Seite 395-397

(LG Leipzig, Urteil vom 31. Mai 2023 – 05 O 666/22 –)

Rechtsprechung
Lesezeit 8 Min.

Die Verwendung von Nutzerfotos in Forderungsschreiben einer kostenpflichtigen Online-Dating-Plattform ist weder für die Erfüllung des Vertrags notwendig noch liegt ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Plattform an einer diesbezüglichen Verwendung vor.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen:

1. Der Kläger hat Anspruch auf Unterlassung der im Klagantrag 1) beschriebenen Verwendung eines Fotos des Verbrauchers im Forderungsschreiben zur Zahlungsaufforderung / Mahnung gem. §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 a). b), Art. 6 DS-GVO (unten b). […]

b) Der Unterlassungsanspruch folgt aus §  3a UWG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 a), b), Art. 6 DS-GVO.

aa) Art.  5 Abs.  (1) a) DS-GVO verlangt eine Verarbeitung personenbezogener Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in transparenter Form. Nach Art. 5 Abs. (1) b) DS-GVO müssen personenbezogene Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet (Art.  4 Nr.  2 DS-GVO) werden. Die Vorschriften der DS-GVO sind anhand einer einzelfallbetrachtung auf ihre Marktrelevanz hin zu untersuchen. Die Regelungen des Art. 5 DS-GVO stellen Marktverhaltensregeln i.S.d. §  3a UWG dar und weisen einen Marktbezug auf, denn es geht um eine geschäftsmäßige Datenverarbeitung, die Zulässigkeit der Erhebung und Weiterverarbeitung von Daten von Verbrauchern (vgl. BGH I ZR 223/19; OLG Sachsen-Anhalt, 9 U 39/18). Auswirkungen auf den Markt sind dabei nicht nur Reflexe des Schutzes individueller Rechte, denn eine Datenverarbeitung für nicht eindeutig bestimmte und festgelegte und nicht legitime Zwecke kann die Entscheidungsfreiheit und das Verhalten in Bezug auf eine Marktteilnahme des Verbrauchers beeinflussen; das Vertrauen in den Datenschutz im Rahmen der digitalen Wirtschaft ist daher als Zweck besonders hervorgehoben (vgl. Art. 1 DS-GVO). Die Information über die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen sowie darüber, ob diese für einen Vertragsabschluss erforderlich sind und eine Pflicht zur Mitteilung besteht, hat wettbewerblichen Bezug (vgl. OLG Stuttgart, 2 U 257/19).

bb) Zwar hat die Person im Streitfall durch Anklicken des entsprechenden Kästchens beim Besuch der Internetseite der Beklagten die Einwilligung in die Datenschutzerklärung zur Abwicklung des Vertrages erteilt. In deren Ziffer 4 wird auf die Möglichkeit der Aufforderung zur Bereitstellung von personenbezogenen Daten, u.a. eines Nutzerfotos, hingewiesen und unter deren Ziffer 5 erläutert, dass personenbezogene Daten erfasst und verwendet werden, „um sämtliche Zahlungen zu verarbeiten, die Sie im Austausch für einen Zugriff auf die Dienstleistung zu errichten haben“ (Anlage K3). Durch Einwilligung per Opt-In-Funktion hat der Verbraucher jedoch nicht in die Nutzung seines Fotos im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Zahlungen eingewilligt (Art. 6 Abs. 1 a) DS-GVO). Die Verwendung des Fotos auf Forderungsschreiben ist weder für die Erfüllung des Vertrages notwendig noch liegt ein überwiegendes berechtigtes Interesse der Beklagten an einer diesbezüglichen Verwendung vor Art.  6 Abs. 1b), f) DS-GVO). Als die für das Abonnement der Mitgliedschaft erforderlichen personenbezogenen Daten sind nur Name, Passwort, Zahlungsmethode, Telefonnummer und Rechnungsadresse genannt; das Zusenden eines Fotos wird lediglich zur Vervollständigung des Dating-Profils in die freiwillige Entscheidung des Nutzers gestellt (Ziffer 4 der Datenschutzerklärung). Damit handelt es sich bereits aus dem Zusammenhang der Regelung in Ziffer 4 auch nicht um die personenbezogenen Daten, auf die Ziffer 5 der Datenschutzerklärung im Zusammenhang mit einer Zahlungsverarbeitung Bezug nimmt. Ferner liegt in der Versendung von Forderungsschreiben nicht auch eine Verarbeitung von Zahlungen; zu einer solchen kam es gerade nicht, das Mahnschreiben dient (vorangehend) zur Zahlungserinnerung /-aufforderung.

Eine Einwilligung zu einer „Verarbeitung“ des Nutzerfotos auf Forderungsschreiben wurde durch Anklicken des entsprechenden Kästchens auf der Website daher nicht erteilt. Nach Ziffer 4 der Datenschutzerklärung ist der Zweck eines – nach Entscheidung des Nutzers – übergebenen Fotos die Vervollständigung des Dating-Profils; eine Verarbeitung/Nutzung zu anderen Zwecken ist nicht „legitim“ i.S.d. Art. 5 Abs. 1 .

b) i.V.m. Art. 6 (1) a), b) DS-GVO und erfolgt ohne Einwilligung und ohne Rechtsgrundlage, weshalb ein Verstoß gegen §§ 3, 3a DWG, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 DS-GVO vorliegt. […]

4. Die Klausel gemäß Klageantrag 2.c) verstößt gegen § 1 UKIaG i.V.m. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, Art. 9 DS-GVO.

Art.  9 Abs.  1 stellt die darin geschützten Kategorien von sensiblen Daten unter ein grundsätzliches Verarbeitungsverbot. Danach ist auch die Verarbeitung von Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung einer natürlichen Person untersagt. Der EuGH hat eine weite Auslegung des Anwendungsbereiches des Art. 9 vorgenommen und entschieden, dass eine Verarbeitung von Daten, „die geeignet sind, die sexuelle Orientierung einer natürlichen Person indirekt zu offenbaren“, eine Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 darstellt (EuGH, Urt. v. 01.08.2022, C 184/20, Rn. 128). Soweit „besondere Kategorien“ personenbezogener Daten vorliegen, ist deren Verarbeitung grundsätzlich verboten. Das Verbreitungsverbot umfasst gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 2 sämtliche der dort genannten Verarbeitungsformen. Art. 9 Abs. 2 DS-GVO mildert das Verbot des Abs. 1 ab und benennt Ausnahmetatbestände, nach denen eine Verarbeitung „besonderer Kategorien“ personenbezogener Daten im Einzelfall erlaubt ist. Das Verbot des Art. 9 Abs. 1 gilt nicht im Fall einer ausdrücklichen Einwilligung der betroffenen Person. Der Begriff der Einwilligung ist in Art. 4 Nr. 11 DS-GVO definiert. Die weiteren Bedingungen einer Einwilligung regelt Art. 7 DS-GVO.

Nach Art. 9 Abs. 2 a) DS-GVO ist allerdings eine „ausdrückliche“ Einwilligung erforderlich. Damit werden an eine Einwilligung für den Bereich der sensiblen Daten höhere Ansprüche gestellt als an eine sonstige Einwilligung nach Art. 7 DS-GVO (Plath, a.a.O., S. 173). Konkludente Einwilligungen sind somit im Bereich des Art. 9 ausgeschlossen, wobei nach Art.  4 Nr.  11 ohnehin eine „unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“ erforderlich ist. Die Ausdrücklichkeit der Einwilligung soll den Betroffenen auf die besondere Sensibilität der Datenkategorien aufmerksam machen. „Ausdrücklich“ i.S.d. Norm bedeutet, dass der betroffenen Person unter konkreter Nennung der Datenkategorie verdeutlicht werden muss, dass die entsprechenden Daten von der Einwilligung erfasst sind. Nicht erforderlich ist hingegen ein allzu formalistischer und wortlautgetreuer Verweis darauf, dass es sich dabei im technischen Sinne um „besondere Kategorien personenbezogener Daten i.S.d. Art. 9 Abs. 1“ handelt. Zusätzlich ist erforderlich, dass in der Einwilligung ein oder mehrere Zwecke der Verarbeitung festgelegt werden, auf die sich die Einwilligung bezieht. Weitergehende Anforderungen hinsichtlich der Form der Einwilligung, die z.B. auch mündlich oder online erteilt werden kann, ergeben sich aus dem Erfordernis der Ausdrücklichkeit nicht (BeckOK DatenschutzR/ Albers/Veit, Art.  9 DS-GVO Rz. 61; Plath, in: Plath, DS-GVO/ BDSG/TTDSG, Art. 9, S. 173).

Solche hinreichenden Informationen zu Bedeutung und Reichweite der Einwilligung (per Opt-In) und zu deren Zweck wurden den betroffenen Personen seitens der Verantwortlichen der Beklagten nicht mitgeteilt. Insbesondere vermittelt die streitgegenständliche Klausel den Anschein, die Erhebung der Daten zur Beschreibung der Person, den sexuellen Vorlieben und sonstigen Interessen und dem aktuellen Beziehungsstatus erfolgten nur informationshalber, ohne dass die weitere Verwendung / Verarbeitung der personenbezogenen Angaben deutlich werden würde. Dass die Reichweite der möglichen Nutzungen mitgeteilter personenbezogener Daten nicht offensichtlich war zeigt sich bereits in der weiteren Verwendung des Fotos – über die Vervollständigung des Dating-Profils hinaus – für Forderungsschreiben, Gegenstand des Klageantrags zu 1). Mit einer Einwilligung per OptIn kann keine weitreichende Einwilligung in die Verarbeitung von Daten zum Sexualleben i.S.d. Art. 9 Abs. 2 a) DS-GVO erteilt werden, weil es mangels der notwendigen Informiertheit über den Umfang der Einwilligung durch konkrete Nennung der Datenkategorie an der Ausdrücklichkeit der Einwilligung fehlt. Informationen, mit denen der betroffenen Person der Umfang der Einwilligung vor Augen geführt würde, wurden nicht erteilt und die Zwecke der Verarbeitung, auf die sich die Einwilligung beziehen sollte, nicht festgelegt. Der Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 a) DS-GVO liegt danach nicht vor.

5. Die Klausel Klageantrag 1 d) verstößt gegen §§ 1 UKlaG, 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, Art. 5 Abs. 1 a), Art. 6 Abs. 1 DS-GVO.

Die Klausel ermächtigt die Beklagte, personenbezogene Daten zu Vermarktungszwecken an Dritte weiterzugeben, wobei diese Datenweitergabe auf den Fall beschränkt ist. dass der betreffende Nutzer über spontantreff69.com zu der Dienstleistung von sexyDate weitergeleitet worden ist. In diesem Fall können die personenbezogenen Daten an spontantreff69.com weitergegeben werden, damit diese Partei dem Nutzer Werbemitteilungen zusenden kann.

Die Verarbeitung ist rechtmäßig, wenn eine der in Art.  6 Abs.  1 DS-GVO genannten Rechtsgrundlagen vorliegt; diese ist in der erteilten Einwilligung (Art.  4 Nr.  11, Art.  6 Abs.  1 a) DS-GVO) nicht zu sehen. Wesentliche Merkmale der Einwilligung sind, dass eine „freiwillig“, „für den bestimmten Fall“, „in informierter Weise“ sowie „unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“ vorliegt. Die Willensbekundung muss in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung erfolgen. Vorliegend fehlt es an einer notwendigen Informiertheit des Nutzers über die Art der Werbemitteilungen und über die Dienstleistungen, für die geworben werden soll. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der letzte Satz der Klausel bei der Prüfung jedenfalls isoliert nicht weiter berücksichtigt werden muss, weil er offensichtlich ohne Sinne ist und keine „Dritten“ benennt. Jedoch ergibt sich im Zusammenhang mit dem ersten Satz, wonach es sich bei der Beklagten um einen Anbieter einer Online-Dating-Plattform mit mehreren Websites handelt, der Anschein, dass personenbezogene Daten an – nicht benannte – Dritte weitergegeben werden können, damit diese Parteien den Nutzern Werbematerialien zu vergleichbaren Dienstleistungen zusenden können. Dass die Klausel nur für über spontantreff69.com weitergeleitete Nutzer gelten würde, ist nicht anzunehmen und ergibt sich aus dem beschriebenen Zusammenhang auch nicht. Der so genannte redaktionelle Fehler führt daher nicht zu einer Reduktion des Inhalts der Klausel auf Nutzer, die über spontantreff69.com zur Website der Beklagten gelangt sind. Es fehlt daher an der notwendigen Informiertheit der Nutzer über den Umfang einer Datenweitergabe zu Werbezwecken, die intransparente Klausel ist unwirksam.

6. Das für die Unterlassungsansprüche notwendige Wiederholungsinteresse ist gegeben. Dieses auszuräumen obliegt der Beklagten als Verletzerin. Tatsächliche Verhaltens änderungen lassen die Wiederholungsgefahr grundsätzlich unberührt (BGH I ZR 161/18). Die Liquidation der Beklagten, die parteifähig bleibt, lässt die Wiederholungsgefahr nicht entfallen (BGH I ZR 77/05). Insoweit handelt es sich um eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Eine solche Änderung berührt die Wiederholungsgefahr nur dann, wenn durch sie jede Wahrscheinlichkeit für eine Aufnahme des unzulässigen Verhaltens durch den Verletzer beseitigt ist (vgl. BGH I ZR 77/05, Rn. 23). Etwas anderes kann allenfalls gelten, wenn absolut jede Wahrscheinlichkeit beseitigt ist, dass der Verletzer denselben oder einen ähnlichen Geschäftsbetrieb erneut aufnimmt (BGH l ZR 161/18). Das ist, da schon nach Vortrag der Beklagten noch bestehende Mitgliedschaften Zugriff auf das Portal haben und dieses erst nach Ablauf von deren Laufzeit eingestellt werden soll, nicht nachgewiesen. […]